Düsseldorf Doris Dörrie - böse, medioker und erfolgreich

Düsseldorf · "Diebe und Vampire" heißt ihr neuer Roman. Darin setzt sie die Suche nach dem Sinn des Lebens fort.

Für diese Prognose muss man weder ein Fan von Doris Dörrie noch Hellseher der Literatur sein: dass nämlich "Diebe und Vampire" wieder ein Erfolg sein wird. Schon deshalb, weil uns die 60-jährige Autorin, Filmregisseurin und Filmproduzentin auf freundlich konsumierbare Weise ein Thema immer wieder unter die Nase hält, das seit Menschengedenken das bewegendste ist. Die Frage also nach dem Sinn des Lebens und - eine Nummer niedlicher gesprochen: Wie könnte das ideale Leben aussehen?

Antworten von Doris Dörrie sind in ihren Filmen und ihren Büchern lebensnahe Erkundungen, auf die sie ihre Helden gerne um den halben Erdball schickt. Dass sie uns dabei dennoch nie abhandenkommen und uns selbst an exotischen Orten noch vertraut und greifbar bleiben, ist auch der schlichten, wenig ambitionierten Sprache zu verdanken und den ebenso einfachen, sympathisch-brüchigen Charakteren. Damit gelingt der Autorin und Filmemacherin etwas extrem Erfolgversprechendes: Sie bleibt bei allem glaubhaft.

Das ist jetzt auch bei "Diebe und Vampire" nicht anders, ihrem neuen Roman, der in seiner Unterströmung von all dem handelt. Diesmal heißt das Anschauungswesen Alice Hofmann; und wir begegnen ihr als junger Frau und wahrscheinlich erheblich zu junger Geliebter eines erfolgreichen Arztes "mit Praxis in guter Lage". Diese Tändelei tut nicht viel zur Sache. Wichtiger sind die gemeinsame Mexiko-Reise des Paares und die Begegnung mit einer älteren Bestsellerautorin aus Amerika. Die wird der jungen Alice flugs zum Vorbild; fortan nennt sie die Autorin ihre "Meisterin". Von ihr lernt sie fast nebenbei, dass Schriftsteller sich zur Wirklichkeit und zu den Menschen wie Vampire und Diebe verhalten müssen. Sie sollen sie für ihre Literatur also hemmungslos aussaugen und von ihnen und ihren vielen Leben mitgehen lassen, was nicht niet- und nagelfest ist. Noch im Urlaubsortes gibt es Anschauungsunterricht: Die beiden Frauen erproben die Methode an einen jungen, inhaftierten Mexikaner.

Das Leben schreitet voran und zieht Alice mit - durch einige Beziehungen und Betten; einige Siege kassiert sie, ein paar Niederlagen auch. Am Ende landet sie wieder in Mexiko, nun als arrivierte, alleinstehende Erfolgsautorin um die 50, die ihre mitgereisten Kollegen mit der Kälte größtmöglicher Ehrlichkeit beschreibt. Isa? "Bisschen zu vegan empfindsam." Julia? "Der Typ verdorrte Rose, zu dürr, zu exaltiert, doch sie schreibt gut." Das Fiese kann Dörrie beängstigend gut. Doch das reicht nicht für einen Roman übers Leben, Lieben und Schreiben. "Wir alle sehnen uns nach Heldengeschichten", sagt Alice. Das stimmt. Und Doris Dörrie liefert sie, trotz einiger Schrammen.

(RP)
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