Los Angeles Drei Globes für "Boyhood" und das Kunstkino

Los Angeles · Bei der Verleihung der Golden Globes in Los Angeles verneigte sich die Jury vor einem Film über das Heranwachsen eines Jungen.

In Hollywoods langer Award Season sind die Golden Globes so etwas wie Oscars schlecht erzogener kleiner Bruder. Jedes Frühjahr zelebrieren bei den Academy Awards die Stars sich selbst mit reichlich Glamour. Doch die wirklich coole Party findet ein paar Wochen davor statt. Die Golden Globes stehen für schampusgetränkte Reden, subversive Gags und leicht gelockerte Benimmcodes. Die 72. Gala, die am Sonntagabend in Los Angeles stattfand, fiel vor dem Hintergrund von "Charlie Hebdo" ein wenig ernster aus, die Trauer hielt sich allerdings in Grenzen. Zwar erschienen Stars wie Helen Mirren, George Clooney und Jared Leto diesmal mit symbolischen Stiften oder "Charlie"-Ansteckern am Revers auf dem roten Teppich; die Verleihung war dann aber trotz gelegentlicher Gedenkmomente eine überwiegend fröhliche Angelegenheit.

2014 war der Mittelpunkt der Fete noch Jennifer Lawrence mit ihrem Kumpelcharme und einem Globe für "American Hustle". Dieses Jahr stahl ein sommersprossiger Charmebolzen namens Eddie Redmayne allen die Show. Der britische Newcomer gewann den Golden Globe als bester Schauspieler in einem Drama und ließ Rivalen wie Steve Carrell, Jake Gyllenhaal und Benedict Cumberbatch hinter sich. Redmaynes brillant authentische Verkörperung des Physikers Stephen Hawking macht die Magie von "Die Entdeckung der Unendlichkeit" aus, einem ansonsten konventionellen Rührstück über Hawkings erste Ehe und sein Leiden an ALS.

Es erweist sich immer wieder als praktisch, dass bei den Golden Globes anders als bei den Oscars separate Auszeichnungen für Dramen und Komödien vergeben werden. So feierte auch Michael Keaton mit einem Darsteller-Globe sein Comeback. Dass Keaton, von dem man seit "Batman" 1992 nicht mehr viel gehört hatte, jetzt ausgerechnet als ein von Hollywood aussortierter ehemaliger Superheld namens "Birdman" solche Erfolge feiert, hat schon etwas Ironisches.

Als großer Gewinner des Abends kann mit drei Globes das Drama "Boyhood" gelten - und mit ihm das Kunstkino. Es war eine überraschend tiefe Verbeugung der Jury vor jener Art Independent-Film, die an den Kassen nie genug Aufmerksamkeit bekommt: "Boyhood" ist ein cineastisches Kleinod über das Heranwachsen eines Jungen, für das Regisseur Linklater sich ganze zwölf Jahre Zeit nahm. Mut zum Besonderen bewies die Jury auch, indem sie Wes Andersons bizarre Hotelgroteske "Grand Budapest Hotel" aus den Studios Babelsberg zur Komödie des Jahres kürte. Im Vergleich dazu schnitt "Birdman" schlecht ab.

Einen Sonder-Globe hätte es für die Moderation geben sollen. Wie im vergangenen Jahr führten Tina Fey und Amy Poehler frech und extrem unterhaltsam durch den Abend. Beide Komikerinnen sind berüchtigt für ihre im Duett besonders spitzen Zungen, weshalb die familienfreundlicheren Oscars auch immer ein anderer moderiert. Besonders im Eröffnungsmonolog bekamen Branche wie Gäste ihr Fett weg. Bevorzugte Opfer waren der Zensurskandal um die plumpe Terrorkomödie "The Interview" ("Wir feiern heute alle Filme, mit denen Nordkorea einverstanden war!") und Bill Cosbys Missbrauchsaffäre. Und es ist schon fast Tradition, dass Fey und Poehler George Clooney aufs Korn nehmen. Diesmal musste sich der grinsende Star derbe Anspielungen auf den Erfolg seiner frischgebackenen Ehefrau Amal und den Cecil B. DeMille Award fürs Lebenswerk gefallen lassen. Clooney nutzte dann auch seine Dankesrede, um Amal noch seine Liebe zu erklären - und Solidarität mit den Pariser Demonstranten zu bekunden. "Je suis Charlie", sagte der 53-jährige sichtlich bewegt ins Mikrofon.

Hartnäckig hält sich ja das Gerücht, die Globes setzten die Trends für die Oscarverleihung. Bestätigt hat sich das bisher nie so richtig. Da die Academy Awards von jeher Historie, Melodram und Seriosität den Vorzug vor lustigen Themen geben, werden leicht und unspektakulär inszenierte Filme wie "Birdman" und "Boyhood" es dort eher schwer haben. Eddie Redmayne und "Die Entdeckung der Unendlichkeit" dürften auch als Favoriten ins Oscar-Rennen gehen, die Filmfigur und der konservative Stil passen perfekt ins Beuteschema der Academy. Und auch Julianne Moore ("Still Alice") sollte die Schampusflaschen noch nicht wegstellen.

(RP)
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