Gregor Schneider "Düsseldorf zieht die wichtigen Künstler an"

Düsseldorf · Klassentreffen mit dem neuen Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie. Ein stiller Star, der einen universellen Kunstbegriff vertritt.

Er wurde an der Düsseldorfer Kunstakademie herbeigesehnt. Nun hat Gregor Schneider sein erstes Semester als Professor für Bildhauerei in der Nachfolge von Tony Cragg absolviert. Cragg war es, der ihn während seiner Rektorenzeit auf den Besetzungszettel geschrieben hatte. Wir trafen Schneider in seinem Klassenzimmer am Eiskellerberg zum Gespräch über Kunst und Lehre.

Was lerne ich, wenn ich Meisterschüler bei Gregor Schneider bin?

Schneider Im besten Fall nutze ich den Freiraum und entwickle daraus eigenständige Arbeiten.

Wie auch immer die aussehen?

Gregor Schneider Ich lass' mich da selber überraschen, wir sprechen ja über Arbeiten, die noch gar nicht gemacht wurden. Die Herausforderung ist, etwas zu schaffen, was wir jetzt noch nicht kennen.

Kann man Kunst lehren?

Schneider Es kommen immer wieder Studierende, die im Kopf das Klischee mitbringen, sie könnten Kunst erlernen.

Kann man nicht?

Schneider Gottfried Herder beschrieb vor 200 Jahren das Studium als ein sich Bilden am Werk durch die Wirkung der Kunst. Ich würde sagen: dass ich in Beziehung trete mit den Studierenden. Ich kann von meinem künstlerischen Wissens- und Erfahrungsvorsprung profitieren und dieses Wissen aus der Praxis vermitteln. Sowie die damit verbundene Technik. Aber ich bin davon überzeugt, dass Künstler letztlich, wenn sie etwas Originäres entwickeln wollen, auch Autodidakten sein müssen.

Der Autodidakt ist einer, der sich sein Wissen im Selbststudium aneignet. Meinen Sie das?

Schneider So ähnlich. Die angehenden Künstler müssen aus sich selbst schöpfend künstlerisch arbeiten. Um dies zu tun, gibt ihnen die Akademie den Freiraum.

Lernen auch Sie etwas von den Studierenden?

Schneider Das schließe ich nicht aus. Vielleicht kann man sich das Miteinander wie ein Gehirn vorstellen, in dem wir miteinander kommunizieren, ohne wirklich die Wirkungen zu verstehen.

Was verstehen Sie unter Kunst?

Schneider Ich habe einen sehr universellen Kunstbegriff, geprägt durch die Frage, wie kann man Kunst und Leben miteinander verbinden. Ich nehme dabei keine Sinneswahrnehmung aus. Aus der Ordnung der Gattungen herauszutreten und alles zum künstlerischen Material machen zu können, ist die große Herausforderung.

Sind Sie als Künstler ein anderer Mensch als als Lehrender? Müssen Sie sich an der Akademie verstellen?

Schneider Ich denke, dass man durch die Zusage, an die Akademie zu gehen, auch eine Verantwortung des Weiterführens und des Erhalts der Institution übernimmt. Das Gute daran ist: Es reißt einen aus dem künstlerischen Ego-Tunnel ein Stück weit heraus.

Die Studierenden kommen zu Ihnen, weil sie von Ihren Arbeiten begeistert sind.

Schneider Ja, man muss zueinanderfinden. Sie sind jedoch schnell ernüchtert, wenn sie sehen, wie viel Arbeit es ist, Kunst zu machen.

In Wahrheit sind Sie ein zurückhaltender Mensch.

Schneider Ich habe ganz gerne meine Ruhe, gehe ungern auf Ausstellungen und bin nur ungern in einer geselligen Runde. Ich kann das mittlerweile an zwei Tagen die Woche mitmachen, dann ist aber schon gut. Ich muss und will viel arbeiten.

Sind Sie ein guter Pädagoge?

Schneider Ich glaube, der Pädagoge ist eine zu vernachlässigende Größe. Wichtiger ist, dass ich als Künstler auch künstlerisch forsche. An der Akademie findet die Kommunikation über die Kunst statt. Es sind Erwachsene, die hier studieren, keine Kinder, denen gegenüber das Verhalten von Zuneigung und Vorbild geprägt sein muss. In erster Linie geht es um Kunst.

Was macht Düsseldorf als Akademiestandort aus?

Schneider Es ist eigentlich ganz einfach. Düsseldorf ist bis heute die freiste Kunstakademie in Deutschland. Das schafft diese besondere Atmosphäre. Düsseldorf war immer ein Ort, an dem Kunst entstehen konnte. Das zieht die wichtigen Künstler an.

Fürchten Sie Veränderungen?

Schneider Wenn man die Akademie erhalten will in ihrer klassischen Form, dann steht und fällt das mit den Verträgen, die verkauft werden.

Verkauft?

Schneider Ja, es ist ein Markt: Es besteht eine Konkurrenz unter den Hochschulen. Das Modell der klassischen Künstlerklassen ermöglicht das Nebeneinander von ganz unterschiedlichen Künstlerklassen an einem Ort. Dies schützt und fördert das individuelle künstlerische Denken. Diese Düsseldorfer Erfolgsgeschichte gibt die Richtung vor. Düsseldorf hat immer auf die Kraft künstlerischer Positionen gesetzt.

Wie agieren Sie mit den Studierenden?

Schneider Neben den verbindlichen wöchentlichen Klassentreffen kann bei mir jeder persönliche Termine bekommen. Neben Klassenausstellungen und Klassenreisen laden wir Kuratoren und Wissenschaftler ein für klassenübergreifende Vorträge. Wir führen freie Gespräche miteinander, dabei können auch meine Arbeiten besprochen und kritisiert werden. Damit Kunst entsteht, braucht es viel Ruhe und Zeitlosigkeit. Das Wichtigste ist die Freiheit. Denn Freiheit schafft die Grundlage für Poesie und Schönheit.

Das Gespräch führte Annette Bosetti.

(RP)
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