Regensburg Düstere Prognose für katholische Kirche

Regensburg · Gestern Abend wurde mit einem Gottesdienst der 99. Deutsche Katholikentag in Regensburg eröffnet.

Mit diesem Leitwort kann man bei einem Katholikentag praktisch nichts verkehrt machen. Denn "Mit Christus Brücken bauen" umfasst den Verkündigungs- und Dialogauftrag der Kirche. Und mit Regensburg wählte man als "Austragungsort" des 99. deutschen Katholikentags eine Donaustadt, die mit der Steinernen Brücke aus dem 12. Jahrhundert die älteste Flussquerung dieser Art in Deutschland hat. Doch die pittoreske Symbolik kennt auch Schattenseiten: Denn wo Brücken notwendig sind, lauern Täler, mitunter Abgründe.

Die werden beim bunten Treiben mit 30 000 Dauerteilnehmern und bis zu 50 000 Tagesgästen trotz kontroverser und mitunter erregt geführter Debatten kaum auszumachen sein; doch werden die kommenden Jahre die katholische Kirche vor existenzielle Probleme stellen. Die Organisationsberatung Kairos hat auf Grundlage gesicherter Zahlen und ablesbarer Trends das katholische Leben hierzulande fortgeschrieben bis zum Jahr 2050 - mit erschreckenden Ergebnissen. Danach wird zum Beispiel die Zahl der Priester im aktiven Dienst von aktuell knapp 10 000 auf etwas mehr als 1000 im Jahre 2050 stürzen.

Das zieht weitere Entwicklung nach sich. Nach Berechnungen von Kairos wird die Zahl der Kirchengebäude von 24 500 auf knapp 2000 im Jahre 2040 sinken und die Zahl der Pfarrkirchen von 11 500 auf weniger als 1000. In diesem Szenario wird natürlich auch versucht, die Zahl der Katholiken in Deutschland zu bestimmen. Dabei konnten sich die Statistiker auf einen Trend berufen, der seit 1991 mit einem jährlichen Rückgang um etwa 186 000 stabil ist. Im Jahre 2040 wäre danach von einer Gesamtzahl von 19 Millionen katholischen Deutschen auszugehen. Im Jahr der deutschen Wiedervereinigung waren das noch 27 Millionen.

Strukturdebatten werden darum zunehmend Zukunfts- und Überlebensdebatten sein. Längst werden auch unliebsame Forderungen gestellt, dass nicht mehr jeder Verband - eine Spezialität des deutschen Katholizismus - und erst recht nicht mehr jede Gemeinde künstlich am Leben erhalten werden kann. Noch sind Katholikentage die schönen Ausnahmen vom manchmal grauen Kirchenalltag. Doch wie ein mahnender Kommentar klangen dazu gestern die Worte des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Der erinnerte daran, dass "es die Kirche nur gibt, weil es die Welt gibt - nicht umgekehrt". Und dass man versuchen müsse, in offenen Gesprächen über die Zukunft auf "einem gemeinsamen Weg" zu bleiben. Das aber erwies sich noch vor der feierlichen Eröffnung gestern Abend vor dem Dom als eine schwierige Übung. Denn die Kommunikation innerhalb der Kirche geht immer noch sehr eigene, unberechenbare Wege. So wurde gestern dem gastgebenden Bischof Rudolf Voderholzer vor versammelter Zuhörerschaft ein Zettel ans Rednerpult gereicht, von dem der Regensburger entnehmen konnte, dass er in die wichtige Glaubenskongregation nach Rom berufen wurde.

Der Bischof wusste bis dahin noch nichts, war dementsprechend sprachlos, aber auch sichtlich erfreut, schließlich ist sein Vorgesetzter in dieser Kongregation zugleich sein Regensburger Vorgänger, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Zwei Deutsche gehören damit zu den maßgeblichen sogenannten Glaubenswächtern der Weltkirche; und das im standfesten, viele sagen auch: konservativen Geiste. Rudolf Voderholzer hat sich gleich gestern an einer alten, auf dem Katholikentag aber wieder aktuell gewordenen Debatte beteiligt.

Es geht um die Teilnahme des Vereins Donum Vitae, der von katholischen Laien initiiert wurde und im Rahmen der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung Frauen betreut. Eine solche Beratung ist aber gegen die Überzeugung der deutschen Bischöfe, die auch auf römischen Druck den Ausstieg aus dem staatlichen Beratungssystem angeordnet hatten.

Donum Vitae wird in Regensburg auf Katholikentagspodien teilnehmen können. Das hat grundsätzlich auch die Zustimmung Rudolf Voderholzers gefunden, doch ließ es sich der Regensburger Bischof gestern nicht nehmen, eine Abtreibung als "Massaker im Mutterleib" zu bezeichnen, die keine Lösung des Problems sei, sondern die Vernichtung des Lebens.

(RP)
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