Analyse Echo-Verantwortliche stehen in der Pflicht

Meinung Daniel Barenboim hat als nächster prominenter Musiker seine Echos zurückgegeben. Seit zwei Wochen bleibt die Jury eine Erklärung schuldig, wie es mit dem Musikpreis weitergeht.

Nun hat auch der Dirigent Daniel Barenboim seine Echos zurückgegeben. Und auch wenn das zwei Wochen nach der Preisverleihung arg spät anmuten mag, ist das doch genau richtig - immer noch. Vielleicht sollte man sogar eine Echo-Rücksende-Kette organisieren: An jedem Tag schickt ein anderer Künstler seine Ehrungen zurück an den Bundesverband Musikindustrie. So lange, bis die Verantwortlichen in Berlin endlich verraten, was sie denn nun ändern möchten, und was sie selbst zur gesellschaftlichen Debatte beitragen wollen, die durch diese Preisvergabe angestoßen wurde.

Auf unsere Anfrage reagierte der Bundesverband nicht. Die letzte Pressemitteilung datiert auf der Homepage vom 16. April. Darin heißt es, man führe "die grundsätzliche Überarbeitung des Echo" weiter, ebenso wie "die Diskussion um die Kunstfreiheit und ihre Grenzen mit den verschiedenen Beteiligten innerhalb und außerhalb der Branche". Warum aber gibt man keinen Zwischenstand? Warum spürt man keinerlei Dringlichkeit? Und: Warum wird der Bundesverband seiner Verantwortung nicht gerecht?

Vor zwei Wochen wurden die Rapper Kollegah und Farid Bang für ein Album mit dem Musikpreis Echo ausgezeichnet, das antisemitische und andere menschenverachtende Textstellen enthält. Die Künstler wurden trotz heftiger Proteste geehrt. Außerdem boten ihnen die Verantwortlichen ein Forum für einen provozierend martialischen Auftritt. Die Berichterstattung läuft nun über die ganze Welt, selbst die "New York Times" berichtet: "Rap Duo With Anti-Jewish Lyrics Gets Award". Es ist ein ethisch-moralischer Schaden entstanden.

Dabei wäre es so einfach, ein Zeichen dafür zu setzen, es besser machen und Fehler nicht wiederholen zu wollen. Oder sieht man vielleicht gar nicht ein, dass etwas furchtbar schief gelaufen ist? Es hat den Anschein, als würden antisemitische Ausfälle im deutschen Pop als nicht so schlimm erachtet werden. Vor rund einem Jahr veröffentlichte Xavier Naidoo das Lied "Marionetten". Demokratisch gewählte Politiker nennt der Sänger darin "Hochverräter" und "Volks-in-die Fresse-Treter": " Wenn ich so einen in die Finger krieg' / Dann reiß ich ihn in Fetzen / Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragraphen und Gesetzen". Naidoo bezeichnet Parlamente als "Puppentheaterkästen" und bedient das alte antisemitische Klischee vom Puppenspieler, der im Hintergrund seine Fäden zieht. Naidoo war zum wiederholten Mal aufgefallen, zudem trat er 2014 bei einer Reichsbürger-Demo auf. Dennoch fanden sich viele Kollegen, die ihn verteidigten. Es passierte wenig.

Vielleicht will der Bundesverband den aktuellen Fall einfach aussitzen. Deshalb ist es gut, dass Barenboim seinen Preis zurückgibt. Deshalb ist es gut, dass auch der Pianist Igor Levit seinen Preis zurückgab und gestern auch noch twitterte: "Hat der @BVMI_music eigentlich schon irgendwelche Konsequenzen gezogen?" Levits Frage ist rhetorisch, Konsequenzen gibt es nicht, und das ist ebenso schlimm wie die Sache an sich. Deshalb: keine Ruhe geben, kein Gras über die Sache wachsen lassen. Öffentlichkeit herstellen. Die Verantwortlichen dürfen nicht aus der Pflicht entlassen werden.

(hols)
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