Ein Buch zu viel über Helmut Schmidt

Der "Zeit"-Journalist Gunter Hofmann hat eine verzichtbare Biografie verfasst.

Helmut Schmidt, dieses rauchende, knorrige Polit-Urgestein, war der Lieblings-Welterklärer der Deutschen. Kurz nach Schmidts Tod hat der langjährige "Zeit"-Chefkorrespondent Gunter Hofmann eine Biografie über den Kanzler und Macher veröffentlicht. "Helmut Schmidt - Soldat, Kanzler, Ikone", so der staatstragende Titel, soll den Lebensweg des "leitenden Angestellten der Bundesrepublik Deutschland" nachzeichnen.

Hofmann arbeitet sich zunächst ausführlich an der "unpolitischen Jugend" Schmidts ab, die dem Altkanzler später als Rechtfertigung für seine Zeit als Wehrmachtssoldat und seine langjährige unkritische Haltung gegenüber Adolf Hitler diente. Schmidt selbst bezeichnete sein Elternhaus als apolitisch, ja geradezu als anti-politisch. Der Autor erläutert, wie Schmidt seine Generation gegen den Vorwurf des pauschalen Versagens verteidigt - vor allem gegen die rebellische Generation der Studentenbewegung. Die hat Schmidt nie verstanden.

Das Buch folgt Schritt für Schritt Schmidts Weg an die Spitze der Regierung, behandelt ausführlich die schwierige Zeit der Troika Schmidt, Herbert Wehner und Willy Brandt, den Nato-Doppelbeschluss, zeigt zudem Schmidts Verhältnis zu politischen Widersachern wie Franz Josef Strauß und Helmut Kohl. Und es folgt ihm nach seinem Sturz in die Verlagsräume der "Zeit".

Problem bei alledem: Schmidts große Lebensereignisse sind inzwischen so oft beleuchtet worden, dass Hofmann selbst angesichts der Hamburger Flutkatastrophe einräumt: "Tausendfach ist er später gefragt worden, was dann ablief, tausendfach hat er es im Detail erzählt." Die Großereignisse werden rasch abgehandelt, während sich der Autor an anderer Stelle umso ausführlicher mit Randfiguren abmüht. Ein Beispiel ist der RAF-Terror im "Deutschen Herbst" 1977. Um die schwierigste Entscheidung Schmidts zu schildern - also entweder den Erpressungen der "Landshut"- und Schleyer-Entführer nachzugeben oder den Tod des Arbeitgeberpräsidenten in Kauf zu nehmen -, begnügt sich Hofmann mit knappen acht Seiten.

Leider beschleicht den Leser an mehreren Stellen das Gefühl, dass das Buch wegen des plötzlichen Todes von Schmidt mit heißer Nadel zu Ende gestrickt wurde. Etwa wenn der Autor auf zwei aufeinanderfolgenden Seiten explizit darauf hinweist, dass Konrad Adenauer mit seiner eigenen Stimme 1949 zum Kanzler gewählt wurde - und das ist nur ein Beispiel für zahlreiche Dopplungen im Laufe des Buches.

Das größte Problem des Autors ist allerdings das Objekt seiner Betrachtungen selbst. Denn Schmidt, so schreibt es Hofmann, war nicht unbedingt ein Plauderer. Die gewohnte Distanz gab er nur selten auf und wenn, dann sehr wohl dosiert - etwa gegenüber hohen Staatsgästen wie Valéry Giscard d'Estaing, Leonid Breschnew oder Henry Kissinger, wenn er diese in seinem Häuschen im Arbeiterviertel Langenhorn bewirtete.

Zugute halten muss man dem früheren "Zeit"-Korrespondenten Hofmann den akribischen Fleiß, mit dem er einen Überblick über die zahlreichen Werke aus Schmidts eigener Feder, aber auch die Sekundärliteratur zusammenträgt und hier und da eigene Interpretationsansätze gibt. Die Frage am Ende bleibt: Hätte es eines weiteren Buches über Schmidt bedurft? Nicht unbedingt, muss man nach der Lektüre von "Helmut Schmidt - Soldat, Kanzler, Ikone" sagen.

(maxi)
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