Ein griechischer Krimi zur Krise

Der Schriftsteller Petros Markaris rechnet mit seinem Heimatland ab.

Dieser Fall für den Athener Kommissar Kostas Charitas ist nur ein Vorwand. Denn der Schöpfer des inzwischen weltbekannten Polizisten, der 1937 geborene griechische Intellektuelle Petros Markaris, betreibt - so der Titel - eine "Abrechnung" mit der griechischen Gegenwart und wie es zur Krise gekommen ist. Markaris malt den Teufel an die Wand und lässt die Handlung am 1. Januar 2014 beginnen, dem Tag, an dem sich Griechenland vom Euro verabschiedet und die Drachme wieder eingeführt hat. Das war, als der Roman geschrieben wurde, eine denkbare Alternative und ist jetzt, als die von Michaela Prinzinger besorgte deutsche Übersetzung erscheint, eine von der Vergangenheit überholte Zukunftsvision.

Drei Morde, alle nach einem sehr ähnlichen Muster durchgeführt, halten den Kommissar in Atem. Die drei Opfer waren seinerzeit als Studenten an der vor 40 Jahren gegen die damalige Militärjunta gerichteten Besetzung des Polytechnikums in Athen beteiligt. Nach dem Sieg der Demokratie haben sie auf dem Ticket des Widerstands Karriere gemacht und nahmen als "Helden" des Aufstands Privilegien in Anspruch, die sie als Bauunternehmer, als Universitätsprofessor und als leitenden Gewerkschaftsfunktionär ganz nach oben spülten. Dabei kam es zu den wohl üblichen Unregelmäßigkeiten. Die Kraft, die sie seinerzeit für die Demokratie eingesetzt hatten, wandte sich zunehmend gegen Konkurrenten. In der Familie begannen sich die Kinder vor ihren Vätern, die ihre Widerstands-Legende vor sich hertrugen, zu ekeln. Die Mordopfer galten zum Zeitpunkt ihrer Ermordung als Veteranen der linken Freiheitskämpfer, so dass sich die Ermittlungen gegen eine erstarkte rechte Terrorszene richten.

Aber auch enttäuschte Weggefährten von damals geraten ins Fadenkreuz der kleinen Ermittlerschar. Die Beamten haben gerade erfahren, dass sie drei Monate lang kein Gehalt beziehen werden: Sparmaßnahmen.

Die Ratlosigkeit bei der Polizei löst sich in langsamen Schritten auf, alles ist plausibel, manches überraschend - ein gut gebauter Kriminalroman. Was ihn auszeichnet, ist die Darstellung der sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse der griechischen Gegenwart: Verelendung auf der einen, eine in knappen Seitenblicken auf die Vergangenheit realistische und selbstkritische Darstellung der Ursachen für die Entstehung der Krise auf der anderen Seite und die Strategien der kleinen Leute, mit dem Verfall des Geldes und des Staates umzugehen.

Gelungen ist wieder die Einbeziehung von Charitos Familie: seine Frau Adriani, die mit den knappsten Mitteln köstliche Gerichte auf den Tisch zaubert, seine Tochter Katerina, die sich als Strafverteidigerin mutig um die auf der Schattenseite der Gesellschaft Gelandeten kümmert. In einer denkwürdigen Bürogemeinschaft mit ihr betreibt ihre Freundin Mania eine psychologische Praxis. Und ihr Freund, der sie bei ihrem Hoffnung spendenden Einsatz unterstützt, ist ausgerechnet ein Deutscher.

(RP)
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