Burghart Klaußner Ein Kinostar drängt zum Theater

Düsseldorf · Burghart Klaußner ist bald im Zweipersonenstück "Heisenberg" im Düsseldorfer Schauspielhaus zu erleben. Außerdem spielt er in der Verfilmung von Ferdinand von Schirachs "Terror" mit. Seine Arbeit fürs Kino hat er zurückgefahren.

Ein Kuss auf dem Bahnsteig. Ein flüchtiger Moment an einem bewegten Ort. Damit beginnt die eigentümliche Liebesgeschichte zwischen der flatterhaften Amerikanerin Georgie und dem eigenbrötlerischen Metzger Alex. Der alte Mann liebt Musik, die Menschen weniger, und hat sich seit vielen Jahren auf keine Frau mehr eingelassen. Bis zu jener Begegnung an den Gleisen.

Theater- und Filmschauspieler Burghart Klaußner fand den in sich gefangenen, seltsam feinsinnigen Typen gleich spannend; und so wird er ihn bald spielen - am Düsseldorfer Schauspielhaus. "Der ist so ein eiserner Heinrich, wie im Märchen vom Froschkönig, der die Ketten um seine Brust erst sprengen muss", sagt Klaußner. Widerständinge Charaktere liegen ihm. Das hat er gerade in einem Kinofilm gezeigt, in "Der Staat gegen Fritz Bauer". Da spielt er den Hessischen Staatsanwalt Fritz Bauer, der im Nachkriegsdeutschland gegen erhebliche Widerstände die Frankfurter Auschwitzprozesse durchgesetzt hat. Klaußner hat sich mit größter Genauigkeit in die historische Person verwandelt, hat Dialekt, Gestik, Haltung übernommen - es aber nicht dabei belassen, sondern im Spiel noch etwas gezeigt, das über frappante Ähnlichkeit hinausgeht. Etwas, das vom Wesen eines Menschen erzählt.

Auf der Bühne ist er nun im intimen Beziehungsgefüge eines Zweipersonenstücks mit der Burg-Schauspielerin Caroline Peters zu erleben. An sie hatte Klaußner gleich gedacht, als er das Theaterstück las. Er schätzt an ihr ebenfalls das Eigenwillige, Direkte, das sie unter anderem als forsche Kommissarin in der Fernsehserie "Mord mit Aussicht" zeigt. Als Theaterschauspielerin wurde Peters gerade von Fachkritikern zur besten Darstellerin des Jahres gekürt. Weil sie an der Burg viel beschäftigt ist, haben die beiden das Stück zunächst in Wien geprobt, im Festsaal des Altersheims "Bohemia". Klaußner spricht den Namen genüsslich, als sei er ein Stück Eiskonfekt, und lacht, als er das erzählt. Inzwischen sind Kollegin Peters, die Regisseurin Lore Stefanek, die ebenfalls als Schauspielerin bekannt ist, und er in Düsseldorf angelangt - und ringen in der Spielstätte Central am Hauptbahnhof mit den akustischen Bedingungen. "Nach der ersten Anprobe in Wien müssen wir die Inszenierung ein wenig umkleiden, damit sie sich in den Raum fügt", sagt Klaußner. Er ist mit dem Düsseldorfer Intendanten Wilfried Schulz befreundet, hat ihm das Stück "Heisenberg" von Simon Stephens vorgeschlagen. "Ich hatte einen Tipp bekommen, habe den Text gelesen und war begeistert von dieser schrägen Liebesgeschichte", sagt Klaußner. Er mag Stoffe, die ihr Geheimnis nicht gleich preisgeben. So trägt das Stück den Namen des Physikers Werner Heisenberg, Entdecker der Unschärferelation, weil es auch darum geht, wie winzige Impulse die Wirklichkeit verändern. "Man muss das nicht wissen, es geht nicht um Physik, aber es ist natürlich eine raffinierte Ebene", sagt Klaußner.

Das Stück spielt in London, der Kuss geschieht auf einem Bahnsteig in St. Pancras, von wo die Züge in den Eurotunnel starten. Klaußner findet, dass der Stoff darum hervorragend nach Düsseldorf passt. "Die Städte sind sich ähnlich: Geschäfte, Finanzen, die Nähe zum Kommerz", sagt Klaußner, "natürlich ist London größer, aber doch verhockter, als man denken mag."

Während der mehrwöchigen Probenarbeiten lebt Klaußner nun in Düsseldorf, nutzt freie Zeit, um die Stadt kennenzulernen. Bisher hat er als Schauspieler und Regisseur vor allem in Bochum und Köln gearbeitet. "Düsseldorf ist unbedingt an der Reihe", sagt er, "mich reizt die Stadt, weil es hier so viel Kunst gibt, Musik, und Menschen, die modern wirken, dynamisch, ich bin gespannt, wie sie auf unser Stück reagieren werden." Jedenfalls schließt er nicht aus, dass er auch in anderen Inszenierungen am Düsseldorfer Schauspielhaus mitwirken wird.

Seine Arbeit fürs Kino hat er derzeit ein wenig zurückgefahren - um zu schreiben. Klaußner, der auch viele Hörbücher eingesprochen hat, arbeitet an einem Roman. Wirklich verraten will er darüber noch nichts. Nur so viel: Zwei Figuren, Vater und Sohn, werden darin zu einer verschmelzen. "Man benötigt Freiraum zum Schreiben", sagt er, "das geht nicht zwischendurch am Filmset."

Ein spannendes Fernsehprojekt hat er dagegen noch angenommen: die Verfilmung des ersten Theaterstücks von Ferdinand von Schirach: "Terror". Das Gerichtsdrama, das an zahlreichen deutschen Bühnen erfolgreich läuft, hat Klaußner selbst inszeniert - in Dresden unter dem Intendanten Schulz. Es verhandelt den Fall eines Piloten, der vor der Entscheidung steht, ein Flugzeug abzuschießen, das von Terroristen entführt wurde und auf ein vollbesetztes Stadion zurast. Es geht also um die Frage, ob Menschenleben gegeneinander abgewogen werden dürfen. In seiner Dresdner Inszenierung hat Klaußner als Richter auch auf der Bühne gestanden. Diese Rolle hat er nun auch fürs Fernsehen übernommen. Regie führt Lars Kraume, der auch den "Fritz Bauer"-Film gedreht hat. Am 17. Oktober läuft der Film in der ARD. Es könnte ein echtes Fernsehereignis werden, denn wie im Theater sollen auch die Fernsehzuschauer am Ende des Stücks über das Urteil gegen den Piloten abstimmen. Klaußner ist gespannt auf den Ausgang. Und steht vier Tage später zur Premiere in Düsseldorf auf der Bühne, wenn sich entscheidet, ob der eiserne Metzger Alex seine Ketten sprengt.

(dok)
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