München Ein Morgen bei Peter Maffay im Studio

München · Der 64-Jährige steht mit seinem neuen Album auf Platz eins der Charts. Wir besuchten ihn am Starnberger See.

Toller Morgen in Tutzing am Starnberger See. Die Tannen halten den Nebel fest, als wollten sie verhindern, dass ihnen jemand die Bettdecke fortreißt. Schön hier. Dann kommt Maffay. Erster Eindruck: Er sieht verflixt gut aus. Elastisch irgendwie, topfit. Maffay ist 64 Jahre alt. Er trägt ein T-Shirt von der "Sansibar" auf Sylt. Aus Kragen und Ärmeln kriechen Tattoos über die gebräunten Arme: Drachen und folkloristische Muster. Harter Kerl. Fester Händedruck. Aber: sanftes Lächeln. Total freundlich.

Maffay, das Phänomen. Die neue Platte "Wenn das so ist" steht auf Platz eins, wie 15 andere Maffay-Alben in den Jahren zuvor. Rekord. Volle Konzerte, ergebene Fans. Maffay halt. Früher sang er "Und es war Sommer". Süßlich. "Ich war 16, und sie 31". Schlagzeug erst im Refrain. Wehmut. Da war er noch Peter. Wuschelhaar. Schlagersänger. Bald trug er Vollbart, dazu Sonnenbrille und Stirnband. Er machte Rock. "Sonne in der Nacht / Träume sind erwacht / Feuer im Vulkan / Wir beide Arm in Arm". Heute klingt er noch härter und singt trotzdem Zeilen wie diese: "Du wirst tanzen, als wärst du Musik / Du wirst lieben, als ob's kein Morgen gibt." Das Süßliche versteckt er hinter Gitarren, aber es ist da. So ist Maffay.

Er wohnt auf Mallorca. Dort hat er einen Hof. Maffay redet über seinen Wald, der von Pilzen befallen ist, von Saatgut und Tieren. Gerolltes R, gezischtes S und statt E ein Ä. Spuren der rumänischen Herkunft. Hört man sich gerne an. "Ich lebe auf Mallorca mit den Dingen, nicht gegen sie." Er wohnt auch in Bayern, etwas mehr als eine Stunde vom Flughafen München entfernt. Seine Tabaluga-Stiftung hat dort ihren Sitz. Rund 1000 traumatisierte Kinder werden von ihr jedes Jahr betreut. Der grüne Tabaluga-Drache steht im Eingang. Maffay, der gute Mensch von Tutzing. Im Haus nebenan das Studio. An der Wand ein Likör-Gemälde von Udo Lindenberg. Und eine Harley-Davidson-Uhr. Auch schön: das Kino mit zehn Sitzen. Auf dem Server liegen "Der Hobbit", "Das Mädchen Rosemarie" und "Django Unchained". Maffay führt seinen neuen Video-Clip vor. Darin fährt er auf dem Motorrad über Fuerteventura. Maffay in Vulkanlandschaft. Er singt: "Nur ein Schritt, und wir sind frei." Maffay breitet die Arme aus. Regen. Wind. Das Lied heißt "Halleluja". In der letzten Szene fährt er mit einem VW Beetle davon.

Im Gespräch mit Maffay spürt man das Bedürfnis, etwas Nettes zu sagen. Also: Kompliment für diese Fitness! "Ich habe eine junge, hübsche Frau", entgegnet er. "Und ich habe nicht vor, sie zu enttäuschen." Die Unterarme ruhen auf den Oberschenkeln. Aber die Eitelkeit sei auch von außen aufgezwungen. "Mein Beruf hat etwas mit Gefallen zu tun." Die Leute sollen sich den Mann auf der Bühne gern ansehen. Maffay ist höflich. Er unterbricht seine Sätze, wenn er merkt, dass sein Gegenüber etwas sagen möchte. Er räuspert sich oft. Gute Gelegenheit, ans Eingemachte zu gehen. Die Lungenkrebs-Diagnose vor ein paar Jahren: Wie war das? Maffay nickt, drückt den Rücken durch, schaut auf die Uhr. "Es ist jetzt 12", sagt er. "Vor ein paar Jahren noch hätte jetzt auf dem Tisch eine Flasche Ballantines gestanden, und die wäre leer gewesen." Eindringlicher Blick. "Ich war nicht nett zu mir selbst, und wenn du nicht nett zu dir selbst sein kannst, bist du auch nicht nett zu anderen." Maffay erzählt plötzlich von sich in der zweiten Person. Selbstschutz? Dokument des Abstands zu Tagen mit 80 Zigaretten? "Saufen war unnötig. Das hat mit Dummheit zu tun. Zu glauben, das gehöre dazu. Dass man damit den harten Kerl markiert." Maffay raucht seit der Diagnose nicht mehr, er trinkt nicht, und er blieb abstinent, als der Irrtum offenbar wurde: kein Lungenkrebs, nur ein böser Virus. Bald geheilt. Gott sei Dank.

Nun aber Musik. Kumpel-Vormittag auf dem Sofa. Gemütlich. Man fühlt sich wohl bei ihm. Maffay spielt das neue Album vor. Rockgitarren. Adjektive kommen einem in den Sinn: ehrlich, kernig, schnörkellos, erdig. Die Texte: Harley-Romantik, Indianer-Weisheiten, Highway-Folklore. Mitunter ein Hang zur Stilblüte. Unfreiwillige Komik. "Die Ferne naht, und ich bremse nicht." Und: "Ein Vulkan, der um sich spie." Oder: "Die Geister, die ich rief / Sie fliegen wieder tief." Man mag es ihm nicht sagen, außerdem textet er ja nicht selbst. Also drumherum fragen: Wie entstehen eigentlich die Lyrics? Maffay schwärmt von einem Texter, Anfang 20. "Hochbegabt." Der bekomme Input und schreibe dann Songs. Wenn Maffay ihn brieft, klinge das so: "Meine Roots sind die Sixties. Sagt dir Van Morrison etwas? Nein? Geh ins Netz, zieh dir was raus. Bob Dylan genauso. Ich fahr' Harley. So bin ich. Und nicht anders."

Und der Hang zur Kuschel-Romantik in Zeilen wie "Du bist wie ein Stern"? Maffay vergleicht die Lieder mit Gemälden von Miró. "Ähnlich wie ein abstrakter Maler bringe ich Ideen in Form. Musik und Text sind Angebote zum Dialog. ,Über sieben Brücken' handelte auch nicht von Hoch- oder Tiefbau." Er hat Recht.

Maffay erzählt von Kanada, wo er zwei Jahre lebte. Er schwärmt von Springsteen und seinem Freund Lafontaine, den er schon Jahre nicht mehr getroffen hat. Er verrät, dass seine Frau Fotos auf sein Handy schickt, wenn sie das Haus neu dekoriert hat. Das Handy steckt jetzt in einer braunen Lederhülle, darauf liegt die Lesebrille. "Es ist nicht immer einfach mit mir", sagt er nachdenklich. Nicken. Mann, Maffay.

Als er die Hand zum Abschied reicht, fällt auf, dass sein Sofa wie eine Wolke aussieht.

(RP)
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