Köln Eine leise Stimme aus Istanbul

Köln · Auf der 17. Lit.Cologne wird auch über die Freiheit des Wortes diskutiert.

Traditionell wird die Lit.Cologne mit einer Gala eröffnet. Auch diesmal - beim 17. Mal - gab's vor ein paar Tagen so eine Show. Doch eröffnet wurde sie erst jetzt: mit einer fast dreistündigen Debatte über die Freiheit des Wortes, über die Türkei und die Lage regierungskritischer Autoren und Journalisten dort, von denen etwa 200 im Gefängnis sitzen. Von mehrjähriger Haft bedroht ist auch Can Dündar, einst Chefredakteur einer großen Tageszeitung und jetzt im deutschen Exil lebend. Das macht Sicherheitskräfte an allen Eingängen nötig; ein Bodyguard begleitet ihn zur Bühne des WDR-Funkhauses. Dündar ist nicht kleinlaut. Dündar ist überzeugt, dass die Zeit von Ministerpräsident Erdogan sich dem Ende nähert, der jetzt erstmals um seine Macht und mit einer schwächelnden Wirtschaft kämpfen müsse. 40 Bücher hat Dündar schon geschrieben, und auch in der Haft ruhte er nicht. "Weil ich erzählen durfte, wusste ich, ich bin nicht allein." Dündar ist kein gebrochener Mann. Er ist froh über das, was er tut, sagt er. Und er denkt weiter politisch. Falsch sei es, Auftritte türkischer Politiker zu verbieten. Weil Erdogan zum Machterhalt Feinde brauche und diese in der Konfrontation dann auch bekomme. Deutschland sei da in eine Falle getappt.

All diese Fragen stellen sich Asli Erdogan nicht. Die Schriftstellerin wurde aus Istanbul zugeschaltet, wo sie demnächst ihren Prozess erwartet. Sie ist asthmakrank und blass; die Wochen in der Untersuchungshaft haben beängstigende Spuren hinterlassen. Und im Gegensatz zu Dündar ist sie unfähig, auch nur ein Wort zu schreiben. Asli Erdogan leidet an der Macht in ihrem Land, leidet an der Ungerechtigkeit, leidet an ihrer Sprachlosigkeit. Ein Teil von Istanbul liegt in Europa. Doch an diesem Abend war es sehr weit entfernt. Wie ein Ablass für alle Anwesenden erscheint es da, als der Autor Günter Wallraff - berühmt geworden in der Undercover-Rolle des "Ali" - einen Korb rumgibt. Eine Sammlung für verfolgte Autoren. Gut 2500 Euro kommen zusammen.

(los)
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