Claudia Cardinale Einer wartet immer

Frankfurt · Gefühlvoll, schön und kämpferisch: Claudia Cardinale ist eine der großen italienischen Schauspielerinnen. Schon der Beginn ihrer Karriere war filmreif. Am Sonntag wird sie 80 Jahre alt.

Für den Kameramann Conrad L. Hall war Claudia Cardinale ein Traum: "Einfach perfekt, man kann bei ihr nichts falsch machen, wenn man sie filmt." Die italienische Schauspielerin mit der sinnlich-nachdenklichen Ausstrahlung wurde in den 60er Jahren berühmt, mit Filmen wie "Wind des Südens", "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968), "Achteinhalb", "Der Leopard" oder "Der Tag der Eule". "Ich hatte das Glück, meine Karriere zu beginnen, als das italienische Kino mit 300 Produktionen pro Jahr seinen Höhepunkt hatte", sagte Cardinale einmal, "da gab es tolle Frauenrollen."

Am Sonntag wird sie 80 Jahre alt. Sie steht zu ihrem Alter, hält nichts von Schönheitsoperationen. Ihre Devise: aktiv bleiben und das tun, was man liebt. In ihrem Fall ist das die Schauspielerei. Geboren und aufgewachsen ist Claude Joséphine Rose Cardinale 1938 in Tunis, ihre Familie hat sizilianische Wurzeln. Der Karrierestart ist filmreif: Teenager Claudia hält sich für unattraktiv und wird doch bei einem Schönheitswettbewerb in Tunis, den eigentlich ihre ältere Schwester gewinnen wollte, aus dem Publikum heraus auf die Bühne geholt und ausgezeichnet.

Sie darf zum Filmfestival nach Venedig reisen. Der Produzent Franco Cristaldi, ihr späterer Partner, wird auf sie aufmerksam und engagiert sie für die Gaunerkomödie "Diebe haben's schwer" (1958) mit Marcello Mastroianni. Wegen ihres starken sizilianischen Akzents wird die Schauspielerin bei ihren ersten Filmen synchronisiert. Erst Federico Fellini lässt Cardinale in "Achteinhalb" die eigene Stimme.

Wichtige Impulse verdankt die Schauspielerin den Regisseuren Fellini und Luchino Visconti. 1963 steht sie zeitgleich für Viscontis "Der Leopard" und für Fellinis "Achteinhalb" vor der Kamera. Eine spannende Erfahrung: Bei Visconti wurde jeder Satz präzise geprobt, bei Fellini improvisiert. "Am Set ging es locker, laut und chaotisch zu", erzählte Cardinale 2014 dem "Tagesspiegel". Fellinis Art gefiel ihr, probierte sie doch gern Neues, sah sich selbst als Abenteurerin.

In Viscontis "Der Leopard" beeindruckt sie als Angelica, eine ehrgeizige Frau aus dem Bürgertum, in die sich der Neffe des Fürsten von Salina (Alain Delon) verliebt. Mit ihrer geheimnisvollen Sinnlichkeit verwirrt Angelica auch den Fürsten, gespielt von Burt Lancaster.

Cardinale genießt es, sich in unterschiedliche Rollen einzufühlen - von der Prostituierten bis zur Prinzessin. Man müsse für die Schauspielerei innerlich sehr stark und gefestigt sein, sagte sie einmal. Sonst wüsste man bald nicht mehr, wer man sei. Sie selbst sei immer stark genug gewesen, um sich von einer Horde wilder Männer am Set nicht einschüchtern zu lassen.

CC - wie Cardinale in Anlehnung an BB (Brigitte Bardot) genannt wird - machte auch international Karriere. "Spiel mir das Lied vom Tod" wird einer ihrer größten Erfolge. In Sergio Leones Western-Klassiker kämpft sie als Witwe eines ermordeten Farmers gegen einen Eisenbahnunternehmer und seinen Auftragskiller (Henry Fonda). Sie fühlt sich zu einem geheimnisvollen Fremden (Charles Bronson) hingezogen, möchte ihn halten, aber er geht. "Sweetwater wartet auf dich", sagt sie am Ende, und er entgegnet: "Einer wartet immer." Pragmatisch bleibt sie vor Ort, um sich eine solide Existenz aufzubauen. Claudia Cardinales intensiver Blick, in dem sich Sinnlichkeit, Zorn und Nachdenklichkeit mischen, geht dem Zuschauer noch lange nach.

Nacktszenen hat der Star stets abgelehnt. Sie fände es viel erotischer, keine Haut zu zeigen, Sex nur anzudeuten, sagte sie dem "Stern". Zu Cardinales internationalen Erfolgen zählt Werner Herzogs "Fitzcarraldo" (1982), unter bizarren Umständen gedreht. Sie erinnert sich: "Das war eines meiner schönsten Abenteuer, mitten im Dschungel, überall Insekten und nichts zu essen. Ich liebe Werner Herzog. Er ist ein wunderbarer Regisseur."

Seit den 70er Jahren lebt Cardinale in Paris: "Dort lassen mich die Paparazzi in Ruhe". Sie hat zwei Kinder - ihren Sohn bekam sie mit 18 Jahren als Folge einer Vergewaltigung, wie sie der Zeitschrift "Variety" 2017 erzählte. Die Familie beschloss zunächst, das Kind als Claudias kleinen Bruder auszugeben. Tochter Claudia stammt aus ihrer langjährigen Beziehung mit dem Regisseur Pasquale Squitieri.

Cardinale hat etliche Preise erhalten, 2002 etwa den "Goldenen Ehrenbären" der Berlinale. 2009 wurde sie für ihren humanitären Einsatz für Frauenrechte mit dem "World Tolerance Award" geehrt.

An mehr als 120 Kino- und TV-Filmen hat Cardinale mitgewirkt, und sie steht auch heute noch gern vor der Kamera. In der Komödie "Niente di Serio" (2017) spielt sie eine aufmüpfige Alte. Zusammen mit einer anderen Greisin flieht sie vor der Langeweile im Seniorenheim.

(epd)
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