Pöbeleien gegen Musiker Esfahani Eklat in Philharmonie: "Was für eine unglaubliche Intoleranz"

Köln · Der iranische Cembalist Mahan Esfahani wollte ein modernes Stück spielen, wurde aber niedergeklatscht.

 Der Musiker Mahan Esfahani.

Der Musiker Mahan Esfahani.

Foto: Bernhard Musil / Deutsche Grammophon

Die Musikgeschichte ist voller köstlicher Schnurren, dass Zuhörer nicht begreifen, welche musikalischen Sensationen ihnen soeben zur Uraufführung gebracht werden. Ausgebuht, verlacht, ausgepfiffen, Türenknallen - eine solche Pleite erlebten bei ihrer ersten Darbietung viele Meisterwerke. Mit der Zeit wandelte sich die Empörung der Ahnungslosen meist in Wertschätzung. Legendär ist die Uraufführung von Strawinskys "Sacre du printemps" in Paris 1913. Damals angepöbelt, ist das Opus jetzt ein Klassiker, von allen geliebt.

Seitdem verhalten sich die Leute bei neuer Musik im Konzert gesitteter, zivilisierter, dezenter. Dachte man. Doch in Köln gelten andere Regeln. In der Philharmonie wurde jetzt der iranische Cembalist Mahan Esfahani von Teilen des Auditoriums harsch und ungehörig angegangen. Laut dem Musiker Alexander Scherf, Cellist beim Alte-Musik-Ensemble Concerto Köln, musste Esfahani sogar ausländerfeindliche Sprüche ertragen.

Stein des Anstoßes war offenbar Steve Reichs Minimal-Music-Komposition "Piano Phase" in der Version für Cembalo und Zuspielband aus dem Jahr 1967. Das ist eine etwas mehr als eine Viertelstunde dauernde Nähmaschinenmusik von köstlicher Komplexität, in deren geniales Rotationsprinzip man sich nach knapp einer Minute eingefühlt hat. Barockmusik ist das natürlich nicht, Steve Reich ist ja ein Gegenwartsmusiker. Doch das Programm hieß "minimal barock"; offensiver kann man Reich nicht ankündigen.

Mahan Esfahani wollte - als höflicher Mensch - eine Einleitung auf Englisch geben, um das Publikum zu instruieren. Doch drang er nicht durch, sondern wurde rüde unterbrochen. Im Facebook-Kommentar Scherfs heißt es: "Schon Esfahanis sympathische Moderation wurde mit ,Sprich Deutsch!'-Rufen quittiert, bevor ein Teil des Publikums sein Spiel immer heftiger störte und den Solisten ,niederklatschte'!" Nicht wenige Zuhörer hätten den Saal verlassen. Weiter heißt es bei Facebook: "In einer ergreifenden Rede fragte Esfahani das Publikum aufgebracht nach den Gründen der Ablehnung und der Angst vor dem Neuen. Er wies darauf hin, dass er aus einem Land stammt (nämlich dem Iran), in dem es nicht selbstverständlich ist, dass Menschen und Kunst alle Freiheit genießen, und in dem es nicht möglich ist, Musik frei aufzuführen."

Der Autor des Kommentars schließt: "Was für eine unglaubliche Ignoranz und Intoleranz heute öffentlich zur Schau getragen wurde - von Rücksichtslosigkeit und mangelndem Respekt gar nicht zu reden! Man muss gar nicht nach Sachsen schauen, um diese gefährliche Mischung zu bestaunen - ein Besuch in der Kölner Philharmonie genügt!" Am Ende habe ein unbekannter Herr die Bühne erklommen und seine Scham zum Ausdruck gebracht. Esfahani hat sich unterdessen bei "Slippedisc" geäußert: Einen Teil der Hörer nennt er "Idioten", einen anderen "feindselig aus Angst".

Es spricht Bände, dass der (holländische) Manager der Philharmonie, Laurenz Langevoort, als er von dem Vorfall erfuhr, Esfahani spontan zu einem weiteren Konzert einlud. Er soll Köln als weltoffene Stadt in Erinnerung behalten. Der Erstversuch ist misslungen. Übermorgen versucht es Esfahani erneut, in Hildesheim. Ebenfalls Domstadt.

(w.g.)
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