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Düsseldorf Im Schatten der NS-Erinnerung

Düsseldorf · Der umstrittene Historiker Ernst Nolte ist im Alter von 93 Jahren gestorben.

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Uni Köln vor 50 Jahren: Ernst Nolte, Verfasser eines Aufsehen erregenden Buches über den Faschismus, schildert in einem rappelvollen Hörsaal, wie sich in Triest der charismatische Dichter D'Annunzio und der charismatische Politiker Mussolini treffen und aneinander begeistern. Die Schilderung ist ironisch und lebendig, die Hörer lernen lachend. Wenig später: Nolte hält ein Seminar über die Ursprünge des Faschismus. Nichts ist es mit Witz, der Meister hält seine sechs Adepten immer wieder an, seine Worte getreu wiederzugeben. Eigene Formulierungen aus Studentenmund? Unerwünscht. Eine - alles in allem erkenntnisfördernde - Mühsal über Wochen.

Ernst Nolte, der streitbare und umstrittene Berliner Historiker, kam von der Philosophie, aus der die Sprache heroisierenden Heidegger-Schule. Für sein großes, bis heute als Standard-Werk geltendes Buch "Der Faschismus in seiner Epoche" war die philosophische Schulung ein großer Gewinn. Nolte begnügte sich nicht mit der Empörung über die Verbrechen der Nationalsozialisten, er grub nach geistesgeschichtlichen Wurzeln und fand sie in der französischen "Action francaise" und im italienischen Faschismus, deren Gedanken der Nationalsozialismus radikalisierte. Nolte wies die Auffassung zurück, Hitler sei ein nicht recht begreiflicher Zufall in der deutschen Geschichte gewesen. Vielmehr sei der Nationalsozialismus der verzweifeltste Angriff, "der je gegen das menschliche Wesen und die Transzendenz in ihm geführt wurde". Den Millionen seiner Opfer gebühre "die höchste aller Ehren".

Daran ist zu erinnern, wenn über den jetzt im Alter von 93 Jahren Verstorbenen berichtet wird. Denn zwei Jahrzehnte nach seiner Faschismus-Analyse wurde Nolte zum Mittelpunkt einer Kontroverse, in der ihm - bis heute wirksam - vorgeworfen wurde, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen. Nolte hatte auch in der Geistesgeschichte demokratischer Staaten Vernichtungsfantasien entdeckt, die vor allem in der Früh-Industrialisierung blühten - nie aber Wirklichkeit wurden. Und er hatte sich - nicht zum ersten Mal - mit der russischen Revolution beschäftigt.

Hitler und Gefolge hatten die Rolle von Juden in der Russischen Revolution dämonisiert und eine "jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung" konstruiert. Als Nolte in der "Frankfurter Allgemeinen" einen "kausalen Nexus" zwischen der Russischen Revolution und dem Nationalsozialismus konstatierte, lasen das Kritiker, als wolle Nolte ("War nicht der Archipel Gulag ursprünglicher als Auschwitz?") Lenin und Trotzki die Schuld an den NS-Verbrechen zuschieben. Nolte wies den Vorwurf zurück, war aber nicht bereit, anders zu formulieren.

Möglich, dass in der Debatte, die die Wichtigkeit der Forschung über die NS-Zeit bekräftigte, nicht nur sprachlicher Starrsinn oder Sorge um die Erinnerung an die NS-Morde, sondern auch ein wenig Rache spürbar war. In den turbulenten 70er Jahren hatte sich der zunächst als links geltende Nolte in Berlin dem konservativen "Bund Freiheit der Wissenschaft" angeschlossen.

(RP)
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