Wuppertal Erst mit dem Spätwerk gelang die Meisterschaft

Wuppertal · In der Von-der-Heydt-Kunsthalle wird das spannende Werk des Amerikaners Clifford Holmead gezeigt.

Bei Holmead kam das Beste zuletzt. Der hierzulande kaum bekannte amerikanische Maler - mit vollem Namen heißt er Clifford Holmead Phillips (1889-1975) - brachte erst in seinen achtziger Jahren zustande, was von ihm bleiben wird. Mit diesen Bildern beginnt deshalb auch der Rundgang durch eine Retrospektive, mit der die Von-der-Heydt-Kunsthalle Wuppertal-Barmen an den Pendler zwischen alter und neuer Welt erinnert. Der mit Ölfarbe auf Pappe gemalte "Schlemmer (Gourmand)" besteht aus einem mit breitem Pinselstrich entworfenen rosafarbenen Gesicht, an dessen Kinn sich eine weiße Serviette anschließt. Die Augen stehen auffallend auseinander, doch macht das den Schlemmer nicht unsympathisch. Sein ganzes Wesen scheint auf den Bissen ausgerichtet zu sein, der ihn als nächster erwartet.

Impressionismus und Francis Bacon sind hier eine Verbindung eingegangen, doch von Bacons existenziellem Ernst ist Holmead weit entfernt. Seine aus Pastellfarben komponierten Köpfe sind von Humor gezeichnet, und das heißt: Trotz leichter Überzeichnung verletzen sie die Dargestellten nicht - Menschen, die niemand kennt und die den Künstler mehr als Typen denn als Einzelschicksale interessierten.

Colette erhebt sich mit ihrem weißen Haar und blassen Teint wie Andy Warhol aus schwarzem Grund, und ein rothaariger Gassenjunge verkörpert mit seiner langen Strähne alle, die mit ihm die Großstadt aufmischen. Ein dickpastig auf die Leinwand aufgetragener Künstler schließlich erscheint mit wirrem schwarzen Haar, schwarzem Schnurrbart, gelber Brille und roter Krawatte wie einer jener gepflegten Bohemiens der 20er Jahre. Selbst die Hippies der 60er waren Holmead ein Porträt wert.

Bilder der 70er Jahre präsentieren sich in zwei Sälen der Ausstellung. Dazwischen und dahinter sind etwas willkürlich die 40er, die 30er und am Ende die 50er und 60er präsent. An die Arbeiten aus dem letzten Lebensjahrzehnt reicht all das nicht heran: ein Jüngstes Gericht im Stil des Belgiers James Ensor, Architekturbilder in neusachlicher Manier, expressionistische religiöse Szenen. Noch am meisten beeindrucken Landschaften wie "Herbst" und "Landstraße" aus den 40er Jahren: düstere, wilde Natur in Schwarz und Grün, Farbgewitter, die das über Europa hereingebrochene Unheil spiegeln.

Holmead, der gebürtige Amerikaner, war von 1912 an mehrmals nach Europa aufgebrochen, hatte sich von Maurice de Vlaminck beeinflussen lassen, hatte in Paris gearbeitet und war 1929 nach Brügge übergesiedelt. 1933 heiratete er in New York, wurde Vater einer Tochter und erkundete bald darauf schon wieder Europa: Schweden, Dänemark und Norwegen. Als 1940 seine zweite Tochter zur Welt kam und er im großen Künstlerhaus der Stadt Oslo ausstellen durfte, schien es, als stünde der Durchbruch bevor. Doch noch am Eröffnungstag marschierten deutsche Truppen ein. Holmead siedelte nach Norditalien über. Immer wieder wechselte er fortan seine Wohnsitze zwischen den USA und Europa. Nach einem Sturz starb er 1975 in einem Brüsseler Krankenhaus. Man sagt, dass Holmeads Charakterköpfe dem abstrakten Expressionismus nahe stünden. Doch als er sie schuf, war diese Richtung schon Vergangenheit. Holmead focht, nachdem die moderne Kunst ihre Etappen durchlaufen hatte, noch einmal für die Figürlichkeit und spachtelte sich in deren Universum eine eigene Welt.

Info vom 19.2. bis zum 7.5. in der Kunsthalle Barmen, Geschwister-Scholl-Platz, Wuppertal; Di.-So. 11-18 Uhr

(B.M.)
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