Kleve/Meerbusch Ewald Matarés grazile Tierwelt

Kleve/Meerbusch · Ausstellungen in Kleve und Meerbusch erinnern an den 50. Todestag des großen Bildhauers, der als Maler begann.

Er gestaltete die Türen des Kölner Doms und war Lehrer von Joseph Beuys. Doch die eigentliche Bedeutung von Ewald Mataré (1887-1965) liegt außerhalb dieser beiden oft genannten Daten. Mataré zählt vor allem mit seinen Holzschnitten und seinen Holz- und Bronzeplastiken zu denjenigen Künstlern der Moderne, die eine neue, hochästhetische, an die Wirklichkeit nur mehr angelehnte Formensprache schufen. Wenn er Kühe, Rinder, Stiere oder Pferde modellierte, ging es ihm nicht um Abbilder, sondern darum, eigengesetzliche Raumkörper zu erschaffen. Kleve und Meerbusch erinnern daran mit Ausstellungen zum 50. Todestag des Künstlers.

Die Schau im Klever Museum Kurhaus benötigt fast die Hälfte ihres Rundgangs, um auf Touren zu kommen. Unter dem Titel "Ewald Mataré. Die Berliner Jahre" breitet sie in aller Ausführlichkeit das Frühwerk aus. Eine Fülle von Porträts und ein an den Isenheimer Altar angelehntes Altarbild aus der Zeit des Ersten Weltkriegs veranschaulichen Matarés von der Kunstakademie Berlin bestimmte Anfänge - in einem Umfang, der rasch ermüdet. Erst als er den Expressionismus für sich entdeckte, die Kunst der "Brücke" und des "Blauen Reiters", gewann seine Arbeit an Ausdruckskraft. Das Jahr der Wende war 1920. Seitdem schuf er das, wofür man ihn bis heute schätzt: Holzschnitte und Tierplastiken, die ihre Motive kunstvoll von der Wirklichkeit fortziehen, im wörtlichen Sinne abstrahieren und auf diese Weise eine Formensprache entfalten, die zuweilen an Picasso erinnert.

Kantige schwarz-weiße Porträts setzen sich aus kontrastierenden Flächen zusammen, und parallel dazu breitet sich Matarés plastisches Tierleben aus. Bei einem Sommeraufenthalt auf Wangerooge hatte er mit Hilfe angeschwemmter Bretter seine ersten Holzschnitte gefertigt. Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt zur Skulptur - zur Holzskulptur, wohlgemerkt. Denn Matarés berühmte handschmeichlerische Bronzeplastiken sind allesamt Abgüsse von Holzskulpturen. Er hat diese Ursprungsformen nie aus der Hand gegeben. Die bronzenen Abgüsse dagegen, Kühe vor allem, existieren jeweils in bis zu zehn Exemplaren.

In Kleve sind nicht nur Beispiele der teils liegenden, teils stehenden, teils grasenden Kühe und Rinder mit ihren glatten, idealisierenden Oberflächen zu bewundern, sondern auch Proben seiner übrigen dreidimensionalen Kunst. Dazu zählt eine fast wandhohe, extrem schlanke Skulptur "Mutter und Kind" von 1930/31. Mataré hatte sich damals schon einen Namen gemacht. 1932 berief ihn die Kunstakademie Düsseldorf als Professor, er ließ sich im linksrheinischen Büderich (heute Teil der Stadt Meerbusch) nieder. Schon sieben Monate später war es mit der Lehrtätigkeit vorbei. Am 30. Juni 1933 warfen ihn die Nationalsozialisten aus seinem Amt. Es begann eine Zeit der Unsicherheit. Mataré schlug sich mit künstlerischen Gelegenheitsarbeiten durch und hielt sich vor allem dank kirchlicher Aufträge wirtschaftlich über Wasser. Heiligenfiguren, Kruzifixe und Kirchenfenster gingen daraus hervor. Zwischen 1942 und 1945 zog er sich mehrfach ins Kloster Eberbach im Rheingau zurück. Erst nach Kriegsende ließ er sich wieder in Büderich nieder- und war offenbar, wie seine Tochter Sonja jetzt erzählte, gar nicht so leicht dazu zu bewegen, auf seinen Lehrstuhl an der Düsseldorfer Akademie zurückzukehren. Denn es behagte ihm nicht, dass die Professoren, die unter den Nazis amtiert hatten, einfach weitermachten, als sei nichts gewesen.

Die heute 88-jährige Sonja Mataré lebt nach wie vor in Büderich. Ihr ist es zu verdanken, dass zum 50. Todestag des Vaters auch in der Wahlheimat der beiden ein Zeichen gesetzt wird. Die Stadtbibliothek Meerbusch zeigt 23 bezaubernde Werke des Künstlers: Holzschnitte, Aquarelle und kleinformatige Tierplastiken aus der Zeit, als Ewald Mataré bereits in Büderich lebte und in den strengen Wintern zwischen 1944 und 1947 durchs Fenster in die Nachbarschaft blickte. In Grau- und Brauntönen hat er die sich in die Niederrhein-Landschaft duckenden Gehöfte erfasst - ein graziles Spiel mit Volumina, deren Herkunft aus der sichtbaren Welt fast unkenntlich wird.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog Mataré seinen berühmtesten Schüler heran, Joseph Beuys. Als dessen Lehrer wird er namentlich oft erwähnt. Zum 50. Todestag ist es an der Zeit, auch Matarés eigene künstlerische Leistung wieder ins Blickfeld zu rücken. Er war nicht spektakulär wie Beuys, und Unspektakuläres hat es heute nun einmal so schwer wie selten zuvor.

(RP)
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