Düsseldorf Faszination Freilichttheater

Düsseldorf · Trotz Regens oder Kälte sind die Bühnen im Freien beliebt. Warum eigentlich?

Nun gehen landauf, landab wieder Krüge zu Bruch, wird in den Innenhöfen von Schlössern und Burgen, auf den Stufen zu großen Kirchen oder Naturbühnen am See Kleist gespielt oder Schiller oder Komödiantisches aus der Gegenwart. Das Angebot reicht von Filmstoffen wie "Honig im Kopf" bei den Schlossfestspielen in Neersen bis zu Großereignissen wie den gerade angelaufenen Nibelungen-Festspielen vor dem Wormser Dom.

Womit bereits ein Grund für die Faszination am Theater im Freien benannt wäre: Oft sind die Kulissen spektakulär. Vor prunkvollen Fassaden oder in ritterlichen Innenhöfen entfalten klassische Stoffe andere Wirkung. Schon beim Einlass wird der Zuschauer in eine andere Zeit geführt, wandelt über Hängebrücken oder durch Lustgärten zu den sommerlichen Tribünen und kann dort in Geschichten eintauchen, die vor langer Zeit verfasst wurden und immer noch aktuell sind. So haben Freilichtbühnen auch touristischen Wert. Doch auch die ortskundigen Bürger einer Stadt erleben die bekannte Umgebung aus neuer Perspektive. Plötzlich ist das Wasserschloss, an dem sie jeden Tag vorbeikommen, nicht mehr der altbekannte Koloss in der Landschaft. Plötzlich wird ein Ausschnitt dieses Bauwerks bedeutsam: eine Wand mit altem Fenster und schwerer Tür wird zur Kulisse und die Menschen sitzen davor und entdecken das Wohlbekannte neu.

Außerdem gibt es bei Aufführungen auf Freilichtbühnen einen mächtigen Mitspieler: die Natur. Zuschauer studieren schon Tage vor dem Theaterbesuch die Wetterkarten. Dann wappnet man sich gegen Kälte oder Regen, schleppt Decken ins Theater, kauft sich noch schnell einen knisternden Poncho an der Kasse. Der Kampf mit der Unbill des Wetters schweißt das Publikum zusammen, schafft über die Kunst hinaus ein Gemeinschaftserlebnis. Das kann man als Eventkultur schmähen, in Wahrheit fügt die Natur der Inszenierung Wirklichkeit hinzu. Die ist dazu noch unkalkulierbar. Da zaust der Wind an einer Perücke oder die Darsteller spielen gegen den Regen an, und jeder Abend gerät anders.

Natürlich ist nicht jedes Stück für eine Freilichtbühne geeignet. Inszenierungen, die ungebrochene Konzentration verlangen, die im Zusammenspiel von Ton, Musik und Licht auf das genauste berechnet sind, brauchen das Guckkasten-Theater, brauchen den dunklen Zuschauerraum, in dem der Einzelne sich vergisst. In der Freilichtbühne ist der abschweifende Blick hingegen Teil des Vergnügens, und das Publikum bleibt seiner selbst bewusst. Es schwitzt oder friert, wird aber belohnt durch unvergleichliche Momente: Etwa, wenn die Sonne während des Spielens untergeht, sich die letzten Strahlen in den Burgfenstern spiegeln und dann die Dämmerung mit ihrem stufenlos erlöschenden Zwielicht ganz eigene Atmosphären schafft.

Theater im Freien ist anstrengend für alle Beteiligten - und ein Muss für den Sommer.

(dok)
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