Analyse Hitler als Witzfigur

Düsseldorf · Satire darf alles, befand Kurt Tucholsky. Doch Witze über Hitler bereiten vielen Menschen noch immer Unbehagen. Auch im neuen Kinofilm "Er ist wieder da" macht sich der Despot lächerlich - aber die an ihn glauben, auch.

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Sie ist wieder da - die bange Frage, ob man über Hitler lachen darf. Eine Romanverfilmung gibt diesmal dazu Anlass: In "Er ist wieder da" wird das Angstlust-besetzte Szenario durchgespielt, was wäre, kehrte Hitler in die Gegenwart zurück. Der Film ist gerade ins Kino gekommen, und was daran vordergründig lustig ist, ist der Zeitmaschineneffekt: Der Hitler aus dem Jahr 1945 muss plötzlich lernen, mit einem Computer umzugehen, sich eine Mail-Adresse einzurichten, und er wird Star bei Youtube. Dass er ein Volksverhetzer, Rassist und Massenmörder war, spielt da keine Rolle. Wenn man der Romanvorlage wie dem Film von David Wnendt also etwas vorwerfen will, dann diese Harmlosigkeit: Hitler wird zum x-beliebigen Aus-der-Zeit-Gefallenen, eine komische Figur wie all die Ritter oder Aliens, die in anderen Komödien hilflos in der Gegenwart stranden.

Doch mit diesem plumpen Humor hält sich Wnendt nicht lange auf. Er jagt Hitler tatsächlich in die Wirklichkeit, lässt Burg-Schauspieler Oliver Masucci in realistischer Hitler-Montur mit Schwarzbärtchen und Uniform auf deutsche Bürger los. Und auf einmal geht es um Realsatire - von der bitteren Sorte. Denn da steht Hitler dann auf einem Hundeplatz und plaudert mit einer netten jungen Frau, die leider die ganze Zeit nickt, als Hitler ihr erklärt, dass Schäferhunde sich nicht mit Dackel paaren dürften. Der reinrassige Schäferhund ginge doch sonst verloren. Oder der verkleidete Hitler nimmt Platz in einem Sylter Fischrestaurant, und schon bald fordert der Herr neben ihm, besser wieder Arbeitslager in Deutschland zu errichten. Natürlich bleibt einem da das Lachen im Halse stecken. Doch das war schon immer die beste Form von Komik: jene, die entlarvt, aufdeckt, insgeheim erschüttert. Das Lachen ist dann eine Befreiung, man lacht das Unbehagen weg. Doch der kritische Impuls ist gesetzt. So funktioniert auch politisches Kabarett. Das ist Aufklärung mit komischen Mitteln.

Für Sigmund Freud resultiert die Kraft eines Witzes aus der Stärke des Affekts, der umgangen wird. Gefühle wie Wut oder Empörung über eine Person oder ein Ereignis werden durch Lachen ersetzt. Darum ist Humor nicht harmlos. Darum kann Humor eine Waffe sein. Das wussten auch die Nationalsozialisten, als sie gleich mit der Machtergreifung gegen Kabarettisten und satirische Zeitschriften wie den "Simplicissimus" vorgingen. Und so ist es natürlich legitim, diese Waffe wieder umzukehren und gegen Hitler zu richten. Und so versuchen die meisten Satiriker, die sich in den braunen Sumpf wagen, Hitler lächerlich zu machen, das Aberwitzige seiner Ideologie herauszustreichen und das Neurotische seiner Person vorzuführen. Es entstehen dann Filme wie Dani Levys "Mein Führer", in dem der Dadaist des deutschen Humors, Helge Schneider, einen ganz und gar jämmerlichen Hitler mimt. Einen, der nicht mal mehr die Stimme aufbringt, um den "totalen Krieg" auszurufen. Lachend soll der Zuschauer verstehen, dass Hitler nicht der Dämon war, der allein das Volk verführte. Da zielt der Humor auf die Banalität des Bösen.

Doch Hitler war weder der einzige Schuldige, noch war er nur banal. Er war auch der Hetzer und Rassist, der seine Ideologie in "Mein Kampf" unverhohlen ausbreitete, die Ermordung der Juden unerbittlich ins Werk setzte und die Welt in den Krieg stürzte. Es ist also durchaus verständlich, wenn Menschen mulmig wird bei Satiren über Hitler, wenn sie es als unangemessen, ja obszön empfinden, diesen Massenmörder in Witzen kleingemacht zu sehen.

Womöglich ist es auch dieses Unbehagen, das manche Hitler-Darsteller bewog, sich von ihren Rollen zu distanzieren. Helge Schneider etwa wollte schon vor dem Kinostart von "Mein Führer" von "dem Hitler-Quatsch" nichts mehr wissen. Ihm war der Film durch Dani Levys Schnitt zu harmlos geraten. Hitler nur als Schwächling zu zeigen, sei ihm zu profan, gab er damals zu Protokoll.

Selbst Charlie Chaplin distanzierte sich Jahre später von seiner doch so gültigen Hitler-Parodie "Der große Diktator" aus dem Jahr 1940. "Hätte ich von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte ,Der große Diktator' nicht zustande bringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können", schrieb er in seiner Autobiografie. Dabei hatte gerade er so hellsichtig eine Figur geschaffen, die eben nicht nur billige Kopie ist, sondern das Wesen des Fanatikers entlarvt.

Trotzdem scheinen selbst Komiker seines Ranges eine Grenze zu erkennen - ein Maß an Schrecklichkeit und Barbarei, das sich doch der Komik entzieht. Da können es die Nachgeborenen noch so locker nehmen und Tucholsky zitieren, dessen "Satire darf alles" ja längst eine Binsenweisheit ist. Es gibt Grenzen, selbst für Humor, aber die müssen die Humoristen ziehen. Auch ist nicht jeder politische Witz gleich subversiv. Schon zur Nazi-Zeit wurde ja heimlich über Hitler gespottet. Doch diese "Flüsterwitze" waren nur kurze Erleichterungen der Unterdrückten. Und damit sogar stabilisierend fürs System.

Schlimmer als billige Oho-Witze über Hitler sind die ernsthaften Annäherungsversuche, die nur gut gemeint sind. Sie laufen stets Gefahr, in Einfühlungskitsch zu enden und Mitleid für die falsche Seite zu wecken. So wie Oliver Hirschbiegels "Der Untergang", in dem Bruno Ganz so meisterlich den Hitler der letzten Führerbunker-Stunden gibt, dass das einer unfreiwilligen Parodie gleichkommt. Bestenfalls.

Selbst für Hitler sollte es keine Genre-Tabus geben, aber durchaus gesteigerten Anspruch an die Qualität. Satire muss alles tun dürfen. Das ist ein Ausweis von Freiheit. Und sie muss selbst entscheiden, was sie besser lässt. Das ist ihre Verantwortung.

(dok)
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