Ai Weiwei zeigt das Flüchtlingselend

Für die Doku "Human Flow" hat sich der Künstler in Flüchtlingslager begeben.

 Flüchtlinge auf ihrer Reise.

Flüchtlinge auf ihrer Reise.

Foto: dpa

Auf einmal stehen die Fernsehbilder von 2015 wieder vor Augen - und mit ihnen viele andere von Flüchtlingen zwischen Kenia und Bangladesch, Griechenland und Deutschland. Mit 25 Teams hat der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei ein Jahr lang in 23 Ländern gedreht und dabei die Not von Menschen eingefangen, deren Häuser zerbombt sind, die als Minderheiten aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder vor Hunger und Armut fliehen.

Anders als das Fernsehen hat sich Ai Weiwei Zeit genommen. Zweieinviertel Stunden lang folgt er in dem Film "Human Flow" den Flüchtlingen auf ihren beschwerlichen, oft lebensgefährlichen Touren. Unauffällig mischt er sich unter sie, meist unterbelichtet und von hinten aufgenommen. Helfen kann er nicht, er spricht im Film auch keine Kommentare, doch er ist bei ihnen, ganz nahe. Und er nimmt sie ernst. Man begegnet Ai Weiwei an der geschlossenen Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien, in den Camps des Libanon, in Kenia, Pakistan und Calais. Zerbombte Häuser, überfüllte Lager, Menschen beim Durchqueren eines Flusses - das sind die Szenen von "Human Flow".

Und die weltweite Flucht scheint kein Ende zu nehmen. Da sieht man aus Pakistan ausgewiesene Familien auf hoch beladenen Lastwagen in ihre unsichere Heimat Afghanistan fahren, Menschen, die vor den Sowjets geflohen waren und nun zurück müssen.

Zuweilen entlädt sich die Hoffnungslosigkeit in Lachen - etwa wenn Ai Weiwei und ein Flüchtling die Pässe tauschen. Oder wenn er sich von jungen Palästinenserinnen von deren Traum erzählen lässt, nur ein einziges Mal ihre eingeschlossene Heimat zu verlassen und mit einem Kreuzfahrtschiff die Erde zu umrunden.

Immer wieder werden Zeilen berühmter außereuropäischer Dichter eingeblendet, die die Würde des Menschen feiern. Gegen Ende sieht man endlich ein vielversprechendes Ziel: Deutschland, eine saubere Halle mit mehreren Kojen als Unterkunft für die Flüchtlinge. Und was sagt dazu ein Mädchen als Bewohnerin? "Hier ist alles verboten."

Ein beeindruckender Film mit - so verrückt das klingen mag - hochästhetischen Bildern von Wüsten und Meeren, sehr lang und ohne Lösungsvorschläge. Nur eine Gewissheit lässt er gelten: Die Migrationswelle der Neuzeit hat eben erst begonnen.

Human Flow, Deutschland 2017 - Regie: Ai Weiwei, 140 Min.

(B.M.)
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