Schwergewicht Gabourey Sidibe Amerika feiert seinen neuen Star

Washington (RP). Die 168 Kilogramm schwere Schauspielerin Gabourey Sidibe erobert derzeit die Herzen der amerikanischen Zuschauer mit dem Film "Precious". Das Werk und ihre Darstellerin werden bereits für den Oscar gehandelt.

"Precious" - das Schicksal eines missbrauchten Mädchens
11 Bilder

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Gabourey Sidibe ist so dick, ihr Gesicht so füllig, dass sie es schwer hat, ihren Mitmenschen durch Mimik zu signalisieren, wie sie sich fühlt. Oft muss ein Funkeln der Augen, mal zornig, mal lebensfroh, ersetzen, was ihre Gesichtszüge nicht aussagen können. Und doch ist sie Schauspielerin, eine Neuentdeckung, an der Amerika sein Herz wärmt.

168 Kilogramm bringt die 26-Jährige auf die Waage, die Tochter einer Sonderschullehrerin und eines senegalischen Taxifahrers, die auf einmal als Oscar-Anwärterin gilt. Dabei war es eigentlich ihre Mutter, die mitmachen sollte. Die Filmleute hatten Alice Tan Ridley im Tunnel der U-Bahn entdeckt, unterm Times Square, wo sie R'n'B sang, während Passanten vorüberhasteten. "Sie sagte, geh du doch zum Casting, du kannst das besser", erinnert sich Gabourey. "Sie traut mir sowieso alles zu."

Das Gegenteil von politisch korrekt

Gabby Sidibe — für Anhänger des American Dream ist es eine Geschichte, wie sie nur, oder jedenfalls am besten, in den USA spielen kann. Direkt von der Straße zum Ruhm, ein modernes Märchen. Aber was die Gefeierte im Kino darstellt — für Regisseur Lee Daniels ist es eine Parabel, die Amerika von einer Seite zeigt, die es trotz Barack Obamas immer noch gibt, im Zuge der Rezession sogar noch konturenschärfer als vor der Krise.

",Precious' ist das Gegenteil des politisch Korrekten", sagt Daniels der "New York Times" und erzählt von den eigenen Lerneffekten. "Nie wieder werde ich ein fettes Mädchen, das die Straße lang läuft, mit denselben Augen ansehen."

Auf der Leinwand spielt Sidibe eine 16-Jährige namens Claireece Jones, die sich lieber Precious nennt. Precious bedeutet etwas Edles, Kostbares, Heißgeliebtes, doch hier klingt der Spitzname wie Hohn. Ihre unberechenbare Mutter schlägt sie mit Töpfen und Pfannen und zwingt sie zu oralem Sex. Sie hat ein Kind, das am Down-Syndrom leidet, und ist zum zweiten Mal schwanger. Erzeuger ist in beiden Fällen der eigene Vater, von dem sie sich auch noch das Aids-Virus holt. Die Jungs hänseln sie, die Lehrer verstehen sie nicht, bis sie Hilfe findet an einer alternativen Schule, die jene aufnimmt, die anderswo abgelehnt werden.

Mariah Carey und Lenny Kravitz zur Unterstützung

Geld aus Hollywood für so eine Story, ein solches Bürsten gegen den Strich? Anfangs sei er gegen Wände gerannt, erinnert sich Daniels. "Alle Studios winkten nur ab. Keiner wollte einen Film über ein 350 Pfund schweres, schwarzes Mädchen, das missbraucht wird." Bei Privatinvestoren kratzt er schließlich acht Millionen Dollar zusammen. Allein durch seine Überredungskünste brachte der Regisseur die Popdiva Mariah Carey dazu, eine kleine Rolle zu spielen, die überforderte Mitarbeiterin des Sozialamts.

Lenny Kravitz sagte ebenfalls zu, er ist als geburtshelfender Krankenpfleger zu sehen. Nach der Premiere beim Sundance-Festival bekam Oprah Winfrey Wind von der Sache. Die Talkshow-Queen, selber als Kind misshandelt, rührte fortan die Werbetrommel. Es habe sie, sagt sie, wie ein Blitz getroffen.

Gabourey Sidibe, die herumgereicht wird in den Talkshows, die ihre Intelligenz, ihre Wärme aufblitzen lässt, findet sich in der Rolle der Hoffnungsträgerin wieder. Genau wie der Präsident, nur eben für Menschen, die ganz unten leben.

(RP)
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