Berlinale 2017 Sieg der Frauen

Der Goldene Bär geht an eine behutsame Liebesgeschichte aus Ungarn. Aki Kaurismäki bekommt für sein Flüchtlingsdrama den Preis für die beste Regie.

 Ildikó Enyedi aus Ungarn mit ihrem Goldenen Bären.

Ildikó Enyedi aus Ungarn mit ihrem Goldenen Bären.

Foto: dpa, kde

Diesen Film versteht man nur mit einem großen Herzen. Diese Worte fand die ungarische Regisseurin Ildikó Enyedi, als sie den Goldenen Bären für den besten Film entgegennahm. Ein wundersam zurückhaltender und zugleich bestechend klarer Film siegt damit verdient in diesem Jahr.

"In Body and Soul" erzählt von zwei Menschen, die eigentlich mit der Liebe abgeschlossen haben, und sich doch füreinander öffnen. Behutsam wird diese Liebesgeschichte erzählt, dabei entwickelt sie sich an einem brutalen Ort, in einem Budapester Schlachthof. Die Jury unter Vorsitz des niederländischen Regisseurs Paul Verhoeven hat mit dieser Wahl bewiesen, dass sie genau hingesehen hat. Sie hat sich für einen handwerklich perfekten Film entschieden, das Schlachthaus etwa wird wie nebenbei höchst genau, aber niemals reißerisch in Szene gesetzt. Und zugleich für einen stillen Film von großer innere Schönheit.

Als Favorit hatte vielen das Flüchtlingsdrama "Auf der anderen Seite der Hoffnung" von Aki Kaurismäki gegolten. Der gekonnt zwischen Tragödie und Komödie schwebende Film bekam einen Silbernen Bären für die beste Regie, was sehr in Ordnung geht, weil es tatsächlich Regisseur Kaurismäki ist, der die Geschichte mit seiner eigenwilligen Erzählweise in lakonische Kunst verwandelt. Außerdem wird damit einer der politisch engagierten Filme dieses Wettbewerbs in einer wichtigen Kategorie ausgezeichnet.

Es war eine Berlinale der Frauen, das zeigt sich nicht nur am Goldenen Bären für eine ungarische Regisseurin, sondern auch darin, dass der Große Preis der Jury an einen Film geht, der im Kongo spielt und von einer Frau getragen wird, die mit viel Mut und großer Würde um das Leben ihres verunglückten Sohnes kämpft. "Félicité", gespielt von Véronique Beya Mputu, ist ein wuchtiges Werk, das tief in die Gesellschaft eines Landes führt, in dem der Alltag Kampf bedeutet. Doch das Drama ist keine trostlose Sozialreportage, sondern wird getragen von herb-leidenschaftlicher Musik, die unmittelbar wirkt - auch auf Zuschauer auf anderen Kontinenten.

Auch der Alfred-Bauer-Preis für die polnische Regisseurin Agnieszka Holland ehrt nicht nur eine engagierte Regisseurin mit eigenwilliger Filmsprache. "Pokot" erzählt auch die Geschichte einer etwa 70 Jahre alten Frau, die aus unbändiger Liebe zur Natur zur radikalen Tierkämpferin wird.

Der Preis für die beste Darstellerin ging eher überraschend an die Hauptdarstellerin eines Selbstfindungs-Dramas aus Korea. Kim Min-hee bedankte sich mit den wohl poetischsten Worten des Abends für "ein sternglänzendes Geschenk", das sie mit nach Hause nehmen dürfe.

Georg Friedrich wurde für seine wortkarge Darstellung eines Vaters ausgezeichnet, der in "Helle Nächte" versucht, eine Beziehung zu seinem 15-jährigem Sohn aufzubauen. Beide haben einander zuvor kaum gesehen. Damit bekam indirekt Thomas Arslans Film als einziger von drei deutschen Kandidaten im Wettbewerb eine Auszeichnung. Volker Schlöndorff und Andres Veiel gingen leer aus.

Die Abschlussgala wurde wie die Eröffnung von Anke Engelke moderiert, die diesmal etwas fahrig wirkte und lieber über das eigene Kleid witzelte, als politische Anspielungen zu machen. Den ernsten Part übernahm Berlinale-Direktor Dieter Kosslick selbst, der auf die Inhaftierung des Deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei hinwies.

In einer viel zu langen Dankesrede sagte Alain Gomis den wohl schönsten Satz des Abends: Sein Film habe zeigen wollen, "dass wir lieben dürfen, was wir sind."

(dok)
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