Berlin Trainspotting 2 - Trip in die Jugend

Berlin · Bei der Berlinale präsentiert Danny Boyle die Fortsetzung des 20 Jahre alten Kultfilms.

Trainspotting 2 - Bilder der T2-Premiere bei der Berlinale 2017
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Trainspotting 2 - Premiere bei der Berlinale

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Foto: dpa, sab

Mark senkt die Nadel. Einmal soll es noch so sein wie damals, vor 20 Jahren, als er jung und zornig war und sich mit Heroin in andere Welten schoss. Doch dann stoppt er den Plattenteller, reißt die Nadel hoch, bevor sie aufsetzt. Er muss noch ein paar Dinge in Ordnung bringen. Die Jungs von damals treffen, mit deren Geld er abgehauen ist. Erst dann - wham! - ist er bereit für David Bowie und Iggy Pop und den Soundtrack seiner verpfuschten, exzessiven Jugend. Der Zeit, als noch alles möglich war.

20 Jahre, nachdem Danny Boyle mit "Trainspotting" den Rebellen-Drogen-Musikfilm des Jahrzehnts gedreht hat, wagt er etwas, das man eigentlich besser bleiben lässt: Er setzt seinen Kultfilm fort. Doch Boyle ist smart genug, nicht von der Wut auf die Gegenwart zu erzählen, aus alten Helden wieder neue machen zu wollen, sondern im Gegenteil: Er erzählt vom Erinnern und Verklären, von Melancholie und Nostalgie, vom Vergehen der Zeit.

Boyle hat also ein neues Thema gefunden. Aber manchmal erliegt er doch der Versuchung, den alten, rauen Ton beleben zu wollen. Und so wird wieder viel gesoffen, gekotzt, gelogen, geprügelt in "T2", es gibt Action und drastische Bilder. Boyle ist noch immer ein harter Junge, doch will er das manchmal zu erkennbar beweisen. Dafür spielt er lässig mit Zitaten, wenn Mark 20 Jahre, nachdem er in die ekelhafteste Toilette Schottlands eintauchen musste, diesmal in einer Disko angewidert die Kabine wechselt. Oder wenn die Jungs wieder eine Fahrt hinaus aus der Stadt unternehmen und darin wieder scheitern. Noch sind sie nicht reif für die Idylle.

Berlinale 2017: Bilder vom Roten Teppich
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Bilder vom Roten Teppich der Berlinale 2017

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Foto: rtr, SZ

Kumpel werden wieder Kumpel und betrügen einander doch wie damals. Boyle hat die gesamte alte Crew zusammenbekommen, und das ist ein Reiz von "T2". Denn man erlebt Ewan McGregor, Ewen Bremner, Jonny Lee Miller und Robert Carlyle, wie sie realistisch gealtert sind, und spürt zugleich die alte Spannung zwischen ihnen, die alte Rivalität, Eifersucht, Verrücktheit.

Die Zuschauer sind ja selbst älter geworden, nun erleben sie ihre Rebellen als Melancholiker, gemeinsam im Transit. Jedenfalls sind die altgewordenen Jungs noch immer nervös, getrieben vom aggressiven Willen, sich etwas vom Leben zu nehmen. Und das nimmt weiter für sie ein.

Dabei sind sie alle gescheitert: Mark hat das Heroin zwar hinter sich gelassen, er ist jetzt Läufer, aber sonst hat in seinem Leben wenig geklappt. Spud ist an der Nadel geblieben, ein liebenswerter Spinner, der bald Schluss machen will. Simon wechselt von der Erpresserei ins Bordellgeschäft, und der wahnsinnige Begbie bricht aus dem Knast aus. Auch diesmal werden sie nichts Gutes auf die Beine bringen. Aber am Ende sind sie noch lange nicht.

"T2" bringt etwas wilde Energie in diese Berlinale, in der eine schüchterne, poetische Liebesgeschichte aus Ungarn bisher der Favorit ist. "On Body and Soul" von Ildiko Enyedi spielt in einem Schlachthof, der nüchtern und höchst kunstvoll in Szene gesetzt wird, und erzählt trotzdem mit großer Zartheit von zwei Menschen, die aus dem Panzer ihrer Selbst schlüpfen und traumwandlerisch zueinander finden.

Die Polin Agnieszka Holland stellte mit "Pokot" den ersten provokanten Film vor, in dem eine altgewordene Hippiefrau mit Übermaß an Mitgefühl für Tiere eintritt. Ein schrulliger, enervierender Film mit ein paar wundervollen Szenen und klarer Botschaft: Empört Euch! Das Ende nötigte die Regisseurin allerdings dazu, in Berlin erklären zu müssen, dass sie Gewalt ablehnt und gegen die Todesstrafe ist. Ab heute laufen die deutschen Beiträge im Wettbewerb: Thomas Arslan, Andres Veiel, Volker Schlöndorff. Noch alles offen bei der Berlinale.

(dok)
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