65. Internationale Filmfestspiele Späte Anerkennung für Hitlerattentäter Georg Elser
Berlin · Oliver Hirschbiegel hat schon einmal Nazi-Zeit inszeniert - in seinem umstrittenen Führerbunker-Drama "Der Untergang". Nun ist der Widerstand dran. In seinem neuen Film macht er Hitler-Attentäter Georg Elser zum Helden.
Wie kann ein Mensch so grausam scheitern? Geschunden von den Foltern und Verhören seit seiner Festnahme presst Georg Elser diesen Satz hervor. Er ist gescheitert. Sein Attentat ist gescheitert. 13 Minuten früher als geplant verließ Adolf Hitler am 8. November 1939 den Münchner Bürgerbräukeller. Die Bombe riss acht andere Menschen in den Tod, die Barbarei der Nazis ging weiter.
Ganz alleine hat Elser das Attentat vorbereitet, hat Dynamit aufgetrieben, die Bombe gebaut, hat sie im Bürgerbräukeller in nächtlicher Geduldsarbeit in einer Säule versteckt und präzise detonieren lassen. Doch Nebel sorgte für die vorzeitige Abreise Hitlers. Das Schicksal war gegen Elser. Und der schützte sich selbst schlecht. Einen Grundriss des Kellers trug er noch in der Jacke, als die Gestapo ihn festnahm.
Damit beginnt Hirschbiegel sein Porträt des verkannten deutschen Widerstandskämpfers. Das Attentat, von dessen Ausgang ohnehin jeder weiß, ist nicht dramatisches Ziel der Geschichte, sondern ihr Ausgangspunkt. Wie konnte ein Einzeltäter so weit kommen? Und was hat einen einfachen Tischler dazu gebracht, ganz allein der Barberei ein Ende setzen zu wollen? Zivilcourage zu zeigen, auch unter Todesdrohung? Diesen Fragen geht der Film nach. "Es musste sein", sagt Elser einmal. Und später nocheinmal. "Dennoch, es musste sein."
Als Mann mit Prinzipien, als intelligenten Sturkopf und charmanten Musikus, spielt Christian Friedel den Widerstandskämpfer, über den so wenig bekannt ist. "Elser war eben ein einfacher Arbeiter, kein Adliger wie Stauffenberg", sagte Hirschbiegel bei der Premiere seines Films auf der Berlinale, "das ist sicher auch ein Grund dafür, warum Deutschland diesem Widerstandskämpfer so lange so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat."
Das will Hirschbiegel nun ändern. Da hatte man schon befürchtet, dass der Regisseur nun zur Glorifizierung Elsers ausholt und ihm ein Denkmal filmt. Schließlich hatte Hirschbiegel mit "Der Untergang" auch nur wenig Feingefühl bewiesen, als er zu den Nazi-Größen in den Bunker kroch und mit einer seltsamen Nähe und Anteilnahme von den letzten Kriegstagen aus SS-Führersicht erzählte. Bei "Elser" geht er differenzierter vor, bemüht sich um ein vielschichtigeres Bild. Der Mann war auch ein Charmeur, Tangotänzer und hatte einen Trinkervater, der den kleinen Besitz der Familie versoff.
Deswegen kehrte Elser nach ein paar freien Jahren in der Stadt zurück in sein Württembergisches Heimatdorf, erlebte dort die totale Ideologisierung einer engen Gemeinschaft, entwickelte den inneren Widerstand, der ihn wohl zum Kämpfer machte. Das zeichnet Hirschbiegel in groben Zügen nach. Viel Zeit vergeudet er dann aber mit einer Liebesgeschichte. Elser hatte ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau. Das wird reichlich ausgeschmückt, dabei wäre die Geschichte seiner Politisierung viel spannender gewesen.
Überaus explizit wird Hirschbiegel bei den Folterszenen. In Nahaufnahme wird etwa gezeigt, wie Elser die Fingernägel weggebrannt wurden. Zum Prügeln spannt man ihn auf ein Bett, bald ist der Rücken blutig. Es werde zu viel abstrakt über Folter gesprochen, erklärte Hirschbiegel in Berlin. Er habe aber zeigen wollen, was Folter tatsächlich bedeute, auch weil bis heute auf der ganzen Welt gefoltert werde. Tatsächlich haben Filmemacher aber mehr Möglichkeiten als Draufzuhalten, wenn sie Folter anprangern wollen. Doch Hirschbiegel ist eben mehr fürs Plakative.
Diesmal wendet er es an, um einem verkannten deutschen Helden späte Aufmerksamkeit zu verschaffen. Und sich selbst gleich mit. Im April kommt der Film in die Kinos.