Neuverfilmung "Der kleine Prinz" wird zum Retter unserer Gegenwart

Eigentlich geht das gar nicht, man kann aus diesem Stoff keinen zeitgemäßen Spielfilm machen. "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry ist durch so viele Herzen gewandert, dass man die Essenz dieses Textes aus dem Jahr 1943 kaum mehr zu finden vermag - zu viele Projektionen und zu viele Zuschreibungen verwässern sie.

Man darf die Neuverfilmung durch Mark Osborne also ruhig als kleines Wunder bezeichnen, denn der US-Regisseur überträgt die alte Geschichte des zarten Schwärmers vom Asteroiden B 612 in unsere Gegenwart, und obwohl er tatsächlich ganz ohne Kitsch auskommt, ist das rührend anzusehen. Es gibt eine Rahmenhandlung, in der zieht ein Mädchen mit seiner Mutter in ein schachtelförmiges Haus. Die Mutter hat jeden Tag im Leben der Tochter durchgeplant mit Lernen und Üben. Es geht um Selbstoptimierung und Effizienz, man hört "Tiger-Mama" Amy Chua von Ferne brüllen, und da ist es gut, dass das einsame Mädchen eines Tages auf den schusseligen Piloten-Zausel von nebenan trifft. Der alte Mann wohnt in einem von Efeu überwucherten Haus und erzählt dem Mädchen die Geschichte vom kleinen Prinzen.

Nun wechselt der Film vom Zeichentrick zur altmodischen Stop-Motion-Technik. Ein Hauch von "Unendlicher Geschichte" durchzieht die Bilder, später fühlt man sich gar an "The Wall" erinnert. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn die Erzählungen von poetischem Prinzen und patentem Mädchen ineinander wuchern, Vergangenheit und Jetztzeit eins werden. Die Kinder kämpfen gemeinsam gegen Großkapital und Gefühlskälte, und personifiziert wird das Verachtenswerte in einer Figur, die alles in eine Maschine wirft, was Spaß macht, und daraus Büroklammern presst.

Schönes Buch, denkt man am Ende, kann man mal wieder lesen.

Der kleine Prinz, Frankreich 2015 - Regie: Mark Osborne. Mit den Stimmen von Til Schweiger und Matthias Schweighöfer, Warner, 107 Min. FSK ab 0 Jahre.

(hols)
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