Keanu Reeves wird 50 Der verblasste Superstar

Kollegen wie Brad Pitt und Johnny Depp zählen auch mit 50 noch zu den Großverdienern in Hollywood. Keanu Reeves dagegen gilt dank heftiger Flops als Kassengift. Es dürfte kein schöner Geburtstag werden.

Keanu Reeves wird 50: Der verblasste Superstar
Foto: dpa, bsc kde

Seine Kritiker wollen es immer schon gewusst haben. Sein Minenspiel gleiche dem einer Holzpuppe, er variiere maximal zwischen zwei Gesichtsausdrücken, und überhaupt sei Keanu Reeves völlig überschätzt. Nun ist die Tatsache, bei Kritikern verhasst zu sein, nicht unbedingt ein Grund zur Besorgnis. Solche Gefühlswallungen kann schließlich nur jemand hervorrufen, der präsent ist, der also gut zu tun hat im Filmgeschäft.

Das Schlimmste, was einem Schauspieler passieren kann, ist, dass kaum noch jemand über ihn redet und wenn, dann mit einem Anflug von Mitleid. Ach ja, der Keanu, war mal ein Superstar und Schwarm aller Frauen, nun ist er, nun ja, irgendwie weg. Keanu Reeves, Kanadier mit chinesischen Wurzeln, wird am 2. September 50 Jahre alt. Sein Name hat immer noch Donnerhall, ein weltberühmter Mann, der seit mehr als 20 Jahren Filme in Hollywood dreht und sehr viel Geld verdient hat. Der zupackende Polizist aus dem Kracher "Speed", der ätherische Actionheld aus der "Matrix"-Trilogie.

Doch Reeves' letzte große Hollywood-Produktion, das Samurai-Epos "47 Ronin" aus dem Jahr 2013, brachte ihm einen vorderen Platz in der Liste der teuersten Flops der Filmgeschichte ein. Rund 175 Millionen Dollar pumpte Universal Pictures in das Projekt, eingespielt hat es bis zum ersten Wochenende in den USA etwa 22 Millionen. Weltweit sah es nicht viel besser aus, weshalb das Studio schon nach wenigen Tagen verkündete, dass man den Film und einen erheblichen Teil der Produktionskosten abgeschrieben habe.

Krachender Absturz

Viel schmerzvoller geht es nicht. Ein Flop dieser Größenordnung wächst proportional zur Prominenz des Hauptdarstellers. Dessen große Zeit war zwar schon Ende des vergangenen Jahres eine Weile her — der letzte echte Erfolg war "Matrix Revolutions" von 2003 — doch nun schien sein Absturz so krachend, dass nur die härtesten unter den Reeves-Hassern noch so etwas wie Häme empfanden. Ob sich seine Karriere von diesem Debakel erholt, ist fraglich. Sein Regiedebüt lief 2013 ebenfalls äußerst überschaubar. "Man of Tai Chi" dürfte nur Insidern und Hardcore-Fans asiatischer Kampfkunst-Filme ein Begriff sein.

Dabei begann Keanu Reeves' Karriere so märchenhaft, wie sie es für einen gutaussehenden Nobody mit begrenzter Schauspielerfahrung sein kann. Er kam mit Anfang 20 in einem alten Auto von Toronto nach Los Angeles, schlug sich mit kleinen Rollen und Nebenjobs durch und landete schließlich 1991 am Set von "Gefährliche Brandung" neben dem damaligen Star Patrick Swayze und unter der Regie der späteren Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow. Der Film über eine Gruppe von Surfern, die sich ihr sorgenloses Leben am Limit mit Banküberfällen finanzieren, überzeugte sowohl Publikum als auch Kritiker, und Reeves mit seinem sehnsuchtsvoll-leidenden Blick und dem Hauch Exotik entzückte die weiblichen Zuschauer.

Er war nun auf dem Radar der Studiobosse, spielte 1992 neben Gary Oldman, Anthony Hopkins und Winona Ryder in "Bram Stoker's Dracula" von Francis Ford Coppola und 1993 seine erste große Hauptrolle in "Little Buddha" neben Bridget Fonda. Ein Jahr später folgte schließlich der internationale Durchbruch mit dem hochspannenden Action-Film "Speed", dessen Grundidee so gut ist, dass man sich fragt, warum darauf nicht schon früher einer gekommen ist. Ein vollbesetzter Bus hat eine Bombe an Bord, die beim Überschreiten der Marke von 50 Meilen pro Stunde scharf wird und explodiert, sobald der Bus langsamer als 50 Meilen fährt.

Ein Schönling mit Tiefgang

Es war ein dankbarer Helden-Part, Reeves als Retter der Unschuldigen und Eroberer der kecken Sandra Bullock, die sich nach "Speed" ebenfalls die Rollen aussuchen konnte. Und doch füllte er die Rolle aus, überzeugte als mutiger Polizist, dem immer diese leichte Melancholie um die Augen spielte. Er war nun einer der Großen, verdiente Millionen und gehörte zu den begehrtesten Männern der Welt. Er traf die kluge Entscheidung (anders als Bullock), nicht in dem bescheuerten Sequel "Speed 2" mitzuspielen, er trat in kleineren Produktionen auf, er ließ sich nicht verheizen.

Dass er durchaus mehr als zwei Gesichtsausdrücke beherrscht, beweist er in dem verstörenden Horror-Drama "Im Auftrag des Teufels" (1997), in dem er einen ehrgeizigen Anwalt und liebenden Ehemann spielt, der allmählich den Verlockungen des Leibhaftigen, grandios gespielt von Al Pacino, erliegt. Es ist eine fordernde Rolle in einem unkonventionellem Film, die wieder von Reeves' unnahbarem Charme profitiert. Ein Schönling, aber einer mit Tiefgang, bei dem sich etwas abspielt hinter dem markanten Gesicht. Er war und ist kein Philipp Seymour Hofman, aber die Kritik an seinem angeblichen Nicht-Spiel war überzogen und schimmerte bisweilen gelblich vor Neid.

Mit der Hauptrolle in dem klugen Endzeit-Science-Fiction-Blockbuster "Matrix" erreichte er 1999 den Höhepunkt seiner Karriere. Die von den Geschwistern Lana (die damals noch ein Mann war und Larry hieß) und Andy Wachowski inszenierte Geschichte, die in den Filmen "Matrix Reloaded" und "Matrix Revolutions" ihre Fortsetzung fand, ist schon jetzt ein moderner Kinoklassiker.

Persönliche Tragödie

Zukunftsweisende Spezialeffekte, ein nahezu philosophischer Plot, der die Menschen als bloße Marionetten in einer von Maschinen generierten Scheinwelt zeigt und die futuristische Ästhetik stachen aus der Masse damaliger Mainstream-Produktionen heraus. Angeblich war Keanu Reeves bloß zweite Wahl hinter Will Smith, der lieber in dem Machwerk "Wild Wild West" mitspielen wollte. Doch die Rolle des scheuen Hackers Neo, der unversehens zum Menschheitsretter wird, passte perfekt zu ihm. Wieder war es vor allem Reeves verletzliche Aura, die ihm gerade in diesem Part Glaubwürdigkeit verlieh.

Das Jahr seines größten Erfolgs war gleichzeitig das Jahr seiner größten persönlichen Tragödie. Einen Monat vor dem errechneten Geburtstermin musste seine Freundin Jennifer Syme die gemeinsame Tochter 1999 tot zur Welt bringen. Zwei Monate später trennten sie sich, blieben aber in Kontakt. Im Jahr 2001 verunglückte Syme mit ihrem Auto tödlich. Die Polizei geht von Selbstmord aus, in ihrem Wagen lagen Antidepressiva. Reeves' Verletzlichkeit bekam eine schreckliche Entsprechung in der Realität, offizielle Beziehungen zu anderen Frauen gab es seitdem nicht mehr.

Neun Jahre später sagte er in einem Interview: "Ich vermisse es, Teil ihres (seiner Tochter und seiner Freundin, Anm. d. Red.) Lebens zu sein und möchte, dass sie Teil meines Lebens sind. Ich frage mich, wie die Gegenwart wäre, wenn sie da wären, was wir zusammen machen würden. Ich vermisse all das Großartige, das nie sein wird." Es kam selten vor, dass Reeves über dieses Thema sprach. Er sei ein "privater Typ" ließ er in einem anderen Interview verlauten, es gehe ihm darum, dass die Menschen seine Arbeit schätzen.

Zuletzt taten sie das immer weniger. Der letzte Film mit einem halbwegs soliden Einspielergebnis war das etwas krude Science-Fiction-Werk "Der Tag, an dem die Erde still stand" von 2008. Finanziell dürfte Keanu Reeves diese kommerziellen Rückschläge verkraften. Doch mit 50 Jahren gibt es auch eine erste private Bilanz, eine Bestandsaufnahme. Heirat und Kinder seien für ihn durchaus noch ein Thema, hat er vor einigen Jahren gesagt. Es ist ihm mehr zu wünschen als ein neuer Blockbuster.

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