Filmkritik "Shape of Water" - die stumme Frau und das Wasserwesen

Düsseldorf · In "Shape of Water" erzählt Regisseur Guillermo del Toro von einem Wasserwesen, das unter die Menschen gerät, und einer stummen Frau, die das Wesen als einzige versteht. Der Film hat auch bei den Oscars abgeräumt.

Sally Hawkins (Elisa) und Doug Jones (Die Kreatur) in einer Szene des Kinofilms "Shape of Water - Das Flüstern des Wassers".

Sally Hawkins (Elisa) und Doug Jones (Die Kreatur) in einer Szene des Kinofilms "Shape of Water - Das Flüstern des Wassers".

Foto: dpa, sab cgt kde

Natürlich geht es in der Liebe eigentlich darum: Dass zwei Menschen einander zutiefst kennen — ohne die Schwächen des anderen als Mangel zu empfinden. Elisa kann nicht reden. Das hat die junge Frau zu einer unbestechlichen Beobachterin und einsamen Wandlerin in der Welt der Hörenden gemacht. Sie hat sich eingerichtet in den Routinen ihres Alltags, träumt sich beizeiten hinfort in die Regentropfen, die am Busfenster ihre Bahnen ziehen, und sieht die Dinge, wie sie ihr begegnen — ohne das Urteil der anderen im Ohr.

Darum schreckt sie nicht zurück, als in dem geheimen Labor, in dem sie als Putzfrau arbeitet, ein Wasserwesen eingeliefert wird, das alle anderen für ein wildes Monster halten. Denn dieser schillernde Meermann, der da in einer gefluteten Metallröhre ins Labor geschubst wird, wütet zwar fürchterlich, wenn seine Bewacher ihn zu züchtigen versuchen.

Doch die vorsichtige Elisa beäugt er mit Neugier. Und wenn sie ihre Frühstückseier mit ihm teilt, berührt er sie mit einer sachten Zärtlichkeit, die ihr unter die Haut fährt. Bald spürt Elisa, dass das Wesen mit der Fischhaut alle Hoffnungen in sie setzt. Dass es in ihr eine Gefährtin sieht, eine Seelenverwandte, die auch in etwas gefangen ist, etwas, das er nicht wahrnehmen kann. Weil er nicht weiß, dass sie nicht hört.

Guillermo del Toro ist ein düsterer Fantast. Einer, der immer neu davon erzählt, wie die Unschuldigen in feindliche Umgebung geraten und mit ihrer größten Stärke gegen die Widerfahrnisse ankämpfen: mit ihrer Schwäche. Darum fürchtet man immer so sehr um del Toros unschuldige Figuren und leidet, wenn ihnen Böses widerfährt. Seine Geschöpfe kennen die Welt nicht besser. Sie werden Opfer einer Zutraulichkeit, die ihre Beobachter im Kino sich schon lange abgewöhnt haben.

In seinem aktuellen Film "Shape of Water — das Flüstern des Wassers" ist Sally Hawkins so eine Figur. Die hat schon in der wunderbar unbedarften Komödie "Happy Go Lucky" eine klug-naive Freude am Leben ausgestrahlt. Hier zeigt sie nun eine tapfer-verträumte Variante von Lebensmut.

Ihre Elisa scheint wie im Traum durch das eigene Leben zu schweben, als habe sie alle Erwartungen heruntergedimmt. Wie ein Kind sitzt sie manchmal bei ihrem verschrobenen Nachbarn auf dem Sofa. Der Mann hat als Werbezeichner den Anschluss an die Nachkriegsmoderne verpasst und lange zu viel getrunken. Die beiden sind Außenseiter im aufstrebenden Amerika der 1960er Jahre, sitzen gemeinsam vor dem klobigen Fernsehkasten, schauen sentimentale Musicalfilme und tänzeln mit ihnen in eine schöne andere Welt. Erst als in Elisas Labor tatsächlich ein Wesen aus einer anderen Welt auftaucht, werden diese beiden Traumtänzer zu Realisten. Und entwickeln Kräfte, die ihnen niemand zugetraut hätte.

Die Guten und die Bösen sind in diesem Film überaus deutlich zu erkennen. Del Toro ist kein Meister der Zwischentöne. Darum hat er Michael Shannon als Bösewicht engagiert. Und der lässt auch keine Zweifel aufkommen, legt die Stirn in Falten, lässt den Kiefer knirschen und verfolgt immer wahnhafter seinen Feldzug gegen ein Monster, das natürlich in ihm steckt.

Wunderbar vielschichtig dagegen Michael Stuhlbarg, der seine Nebenrolle als zaudernder Wissenschaftler mit größter Menschlichkeit auflädt. So wie Doug Jones im Ganzkörper-Schuppenanzug des Monsters mit wenig Spielraum größte Wirkung erzielt. Del Toro lässt seine Geschichten ja nie im Bombast der Spezialeffekte ersticken. Das Fantastische ist bei ihm nie Bruch, sondern nur Verlängerung der Wirklichkeit und fügt sich darum so weich in den Erzählfluss.

So ist "Shape of Water" nicht nur ein berührender Film, der von der Menschlichkeit eines Monsters erzählt und von der Unmenschlichkeit der Menschen. Es ist schlicht auch ein schöner Film, mit der anspielungsreichen, eleganten Filmmusik von Alexandre Desplat, den unaufgeregten Spezialeffekten und vielen Einstellungen, die mit dem Motiv des Wassers spielen. Das kocht im Eiertöpfen, fällt mal als Tränen vom Himmel, mal tropft es als Zeichen völliger Hingabe aus der Decke eines alten Kinos. Und ist das verbindende Element all jener, die auf der guten Seite stehen.

Es gibt Sentimentales in diesem Märchen, aber es verkitscht daran nicht, sondern erzählt unbeirrt weiter, wie zwei Wesen bedingungslos füreinander einstehen. Und das ist dann am Ende viel mehr als die rührende Geschichte von der Schönen und dem Biest. Bei del Toro ist auch das Biest schön — und die Schöne eine Außenseiterin, die aus der Einsamkeit erwacht, als ein Fischwesen an die Scheibe seines Gefängnisses schlägt. Und befreit werden will.

Shape of Water - Das Flüstern des Wassers, USA 2017, von Guillermo del Toro, mit Sally Hawkins, Doug Jones, Michael Shannon, Richard Jenkins, 123 Minuten

(dok)
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