Das Schicksal ist ein mieser Verräter Dieser Film bringt Tausende zum Weinen

Düsseldorf · Lautes Schluchzen, aufgelöste Menschen, die den Kinosaal verlassen – das Drama "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" rührt die Zuschauer wie selten. Das liegt an einer doppelt traurigen Geschichte – und anderen Kniffen der Filmemacher.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter: Dieser Film bringt Tausende zum Weinen
Foto: dpa, mjh

Lautes Schluchzen, aufgelöste Menschen, die den Kinosaal verlassen — das Drama "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" rührt die Zuschauer wie selten. Das liegt an einer doppelt traurigen Geschichte — und anderen Kniffen der Filmemacher.

Hazel ist tapfer. Sie rebelliert nur kurz, als die Ärzte ihr sagen, dass ihre Lunge so angegriffen ist vom Krebs, dass sie keine Reise mehr machen darf, definitiv nicht, auch wenn das ihr letzter Wunsch ist. Und die letzte Gelegenheit.

Doch dann fällt Hazels Blick auf die Hände ihrer Eltern. Die sitzen neben ihr und ringen mit ihrer Fassung. Denn sie wissen ja, was der Flug nach Amsterdam ihrer Tochter bedeutet hätte. Und dass die Reise nur ein Symbol ist für all die anderen Dinge, die in ihrem Leben nicht mehr geschehen werden, weil es einfach zu kurz sein wird. Endstadium mit 17. Da ist zu viel noch nicht passiert, und was zum ersten Mal geschieht, hat seine Unschuld schon verloren. Und darum greift der Vater im Ärztezimmer nach der Hand der Mutter mit dem breiten, Ehering und drückt deren Finger. Viel zu fest.

Spätestens da fließen die Tränen. Und nicht nur lautlos, verschämt, so wie sonst im dunklen Kinosaal. Wer sich den Film "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" ansieht, kann Menschen laut schluchzen hören, überall im Raum rascheln die Tempos und regelmäßig verlassen Zuschauer den Saal, weil sie es nicht mehr ertragen können, der lebensklugen, hübschen, schlagfertigen, tapferen Hazel beim Sterben zuzusehen.

Dabei spielt der Film nur in ganz wenigen Szenen in der Klinik, die Kamera hockt nicht am Krankenbett, erspart uns Ärztevisiten. Der Film handelt vom Leben und der Liebe zweier junger Menschen, die den Krebs in sich tragen. Und es ist gerade die Lebenslust, die Teenager-Munterkeit, die den Film so ergreifend macht.

Der Zuschauer lernt Hazel und Augustus wirklich kennen, er nimmt Teil an ihrem Leben, das ein heiteres wäre, wenn die beiden noch an die Zukunft glauben könnten. Sie sind lustig, manchmal sarkastisch, überraschen einander mit verrückten Ideen. Und natürlich wissen Drehbuchautoren, dass man Menschen am besten zum Weinen bringt, wenn sie vorher lachen konnten, wenn sie tatsächlich empfinden, wie unerbittlich der Tod ins Leben greift, wie mies das Schicksal ist.

Die Tapferkeit der Hauptfiguren und ihr Humor machen sie so liebenswert, dass der Zuschauer sich nach nur wenigen Szenen identifiziert — und mitleidet. Und das muss er in diesem Film doppelt, denn das Schicksal meint es nicht nur mies mit Hazel. Auch ihr Freund Augustus hat Krebs in den Knochen, man hat ihm einen Unterschenkel amputiert.

Und genau wie Hazel ist er Einzelkind und hat Eltern, wie die meisten Teenager sie sich wohl wünschen. So baut Hollywood gleich zwei Traumfamilien auf, in denen alles intakt ist. Nur die Krankheit ist das Übel. Sie reißt alles ein, den amerikanischen Traum von der heilen Familie, zwei unschuldige Leben "Ich hatte immer das Gefühl, dass aus mir mal etwas Besonderes wird", sagt Augustus einmal.

Da fährt Hazel aus der Haut, hält ihm vor, dass es vielleicht nichts Besonderes sei, ein Sohn zu sein, der von seinen Eltern und seiner Freundin geliebt wird, dass ihr dieses kleine Glück aber vollkommen genügt. Da springt wieder diese Schere auf, deren Klingen sich direkt ins Zuschauerherz bohren: Bescheidener Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander, ein schmerzendes Gefühl des Verlustes, der Unwiederbringlichkeit stellt sich ein. Und ein Gefühl der Beschämung, das Tränen schürt, weil ja auch das Leben des Zuschauers schnell vorbei sein könnte, und vielleicht nicht mit genug Dankbarkeit gelebt wird.

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Foto: 20th Century Fox

Natürlich befolgt Regisseur Josh Boone auch die handwerklichen Regeln für Filme, die sich wie ein Eisenring ums Herz legen sollen: Exzessive Verwendung von Nahaufnahmen zum Beispiel. Biologen wissen, dass Menschen schneller weinen, wenn sie andere weinen sehen. Und so sind die Gesichter der attraktiven, zugleich kumpeligen Hauptdarsteller Shailene Woodley und Ansel Elgort ständig in Großaufnahme zu sehen.

Ihre Zeichen der Rührung, der Wut, der Trauer, ihr eigener Kampf gegen die Tränen entgehen der Kamera nicht. Da ist gar nicht mehr viel Rührmusik nötig. Boone kleistert den Film nicht zu, übertreibt es nicht mit dem Pathos, verzichtet auf schluchzende Geigen, bleibt lieber bei Songs, die seine Hauptdarsteller auch hören würden. Denn bemerkt der Zuschauer erst, dass er manipuliert werden soll, ist es mit der Rührung schnell vorbei. Bei Boone wird er abgelenkt mit Spielereien wie eingeblendeten SMS in Sprechblasen. Alles soll ganz locker wirken in diesem cleveren Film, so leicht wie das Leben — bis es ganz schwer wird.

Wissenschaftlich ist längst erwiesen, dass Weinen im Kino, anders als etwa Weinen beim Zwiebelschneiden Stresshormone abbaut. Trotzdem drängt sich die Frage auf, warum sich Menschen das antun, warum sie in in der Halböffentlichkeit eines Kinos fiktives Elend beweinen. Wer je einen Film erschöpft, angegriffen, ausgeheult verließ, weiß was Aristoteles mit Katharsis, mit der Seelenläuterung in der Tragödie gemeint hat. Es ist reinigend, verdrängte Trauer im Kino aus dem Herzen und dem Geist zu waschen. Es hilft, das Leben zu leben. Für Hazel und Augustus.

(dok)
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