Drama "Der Moment der Wahrheit" Cate Blanchett flirtet mit Robert Redford

Düsseldorf · Das Journalisten-Drama "Der Moment der Wahrheit" beruht auf einer wahren Begebenheit. Es lebt vom Spiel seiner Hauptdarsteller.

 Cate Blanchett und Robert Redford spielen in dem Drama mit.

Cate Blanchett und Robert Redford spielen in dem Drama mit.

Foto: �SquareOne/Universum

Irgendwann während dieses Films kann man sich gar nicht mehr auf die Handlung konzentrieren, man muss nämlich immerzu Cate Blanchett und Robert Redford dabei zusehen, wie sie Cate Blanchett und Robert Redford sind. Sie befindet sich hier entweder im Status totaler Derangiertheit oder in einem zwischenweltlichen Zustand melancholischen Verwehtseins. Und er ist stets der weise Sensualist, der das Unheil kommen sieht und dennoch aufrecht dasteht, um es ruhig entgegenzunehmen, integer und unverbrüchlich. Er hat alles schon erlebt, seine Seele ist durch eine Hornhaut geschützt, nur sein Herz ist nach wie vor verwundbar. In den besten Momenten dieser Produktion sehen die Schauspieler einander einfach bloß an, sie schmunzeln vielsagend und machen die Lippen schmal. Das Schicksal meint es indes nicht gut mit ihnen, und dann muss man seufzen, weil das alles ziemlich traurig ist, aber auch sehr schön.

"Der Moment der Wahrheit" heißt dieser Film, und er beweist, dass der Kinosaal im Grunde ein Chemielabor ist, es geht dort um die Beziehungen zwischen den Akteuren, um Wahlverwandtschaften und die Reaktionen, die sich aus dem Spiel der Darsteller ergeben, und wenn es blitzt und funkt und zündet, dann ist es gleichgültig, dass Inhalt und Inszenierung vielleicht gar nicht so toll sind.

"Der Moment der Wahrheit" erzählt eine wahre Geschichte, es ist die der wöchentlich bei CBS ausgestrahlten Fernsehsendung "60 Minutes". Die Journalisten arbeiten investigativ, sie konfrontieren die USA zur Primetime zum Beispiel mit den schlimmen Fotos des Folterskandals von Abu Ghraib. Präsentiert wurden die Rechercheergebnisse lange Zeit von Dan Rather, der von Redford gespielt wird und in Amerika bis zu seinem Rauswurf eine Legende war, vielleicht vergleichbar mit Hanns Joachim Friedrichs bei uns. Seine Produzentin war Mary Mapes, deren Rolle Blanchett übernimmt, und auf ihren Memoiren beruht das Drehbuch von Regie-Debütant James Vanderbilt.

Es ist das Jahr 2004, der Präsidentschaftswahlkampf läuft, George W. Bush und John Kerry liegen gleichauf. "60 Minutes" bringt nun eine Geschichte, laut der sich George W. Bush in den 70er Jahren durch familiäre Beziehungen einen Einsatz im Vietnamkrieg erspart und statt dessen bei der texanischen Nationalgarde gefaulenzt habe. Der Fall schlug in den USA hohe Wellen, wurde hierzulande aber wenig beachtet. Das Problem war, dass Mary Mapes bei ihrer Recherche auf dubiose Quellen vertraut hatte, dass Berichte nur in Kopie vorlagen und nach Ausstrahlung die Authentizität angezweifelt wurde. Mapes und Rather mussten ihren Hut nehmen, die Affäre ging als "Rathergate" in die Geschichte ein, und viel wurde gemunkelt, welche Rolle bei der Sache Bushs Wahlkampfsponsor Viacom spielte, dessen Hauptaktionär eine Sperrminorität bei CBS besitzt.

Im Gegensatz zum präzise inszenierten Oscar-Gewinner "Spotlight", der ja ebenfalls Journalisten bei der Arbeit zeigt, ergreift "Der Moment der Wahrheit" sofort Partei - allerdings ohne zu belegen, ob zurecht oder nicht. Regisseur Vanderbilt findet seine Hauptfigur Mary Mapes durchweg sympathisch, er präsentiert sie als reine Figur, die zwischen Senderinteressen, Zeitdruck und politischer Einflussnahme zerrieben wird.

Die Schwächen in der Aufbereitung des Stoffes macht das Ensemble wett, zu dem Dennis Quaid, Elisabeth Moss und Stacy Keach gehören. Und vor allem sind da Blanchett und Redford. Die 47-Jährige ist mit jeder Faser ihres Körpers Journalistin: Wie ein Raubvogel wirkt sie, wenn sie Informanten befragt, und geradezu elegisch, als sie einsehen muss, dass diese Geschichte das Ende ihrer Karriere bedeuten wird. Es gibt zwei zentrale Szenen in diesem Film, in der einen treffen sich Blanchett und Redford nach der Ausstrahlung ihrer Bush-Geschichte in einer Bar. Redford steht mit hohen Herren in einer Trinkrunde an der Theke, Blanchett sitzt am Tisch. Er wendet sich ab von den Einflussreichen und hebt das Glas in ihre Richtung, er grüßt sie über Gedränge, Trubel und Euphorie hinweg, und sie nimmt die Geste der Zuneigung mit feinen Antennen auf, sie nickt und blinzelt, und ihre Augen sind mit einem Trauerflor aus Mascara geschmückt.

In der anderen Szene ist schon alles aus, er sagt ihr, dass er aufgibt, dass er seinen Abschied verkünden wird, und er empfiehlt, dass sie nicht mehr an ihn denken möge, sondern sich lösen solle und kämpfen: "Denk bitte nicht mehr an mich. Du musst deinen Kopf retten." Das ist eine platonische Liebesbeziehung zwischen den beiden, eine Gewogenheit, die aus Respekt gewachsen ist, Verbundenheit, die sich im Untergang intensiviert, und Blanchett und Redford spielen das ganz wunderbar, so nuanciert und zart. Jede Geste sitzt, jeder Augenaufschlag ist randvoll mit Information. Durch die Bilder laufen Nervenbahnen, über die die Hauptakteure miteinander verbunden bleiben. Am Ende steht Redford auf dem Balkon seines Apartments über den Dächern New Yorks. Es ist der einzige Moment des Tages, in dem auch diese Stadt ausruht, und es ist der Augenblick, als Redford zum Telefon greift. Er ruft sie an: Hallo.

Muss man sehen. Läuft im Kino.

Der Moment der Wahrheit, USA, Australien 2015 - Regie: James Vanderbilt, mit Cate Blanchett, Robert Redford, 126 Min.

(hols)
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