"Abbitte" mit Keira Knightley Ein Sommernachtsalptraum

Düsseldorf (RP). Das Modell eines englischen Herrenhauses ist in der ersten Szene von Joe Wrights Film "Abbitte" zu sehen, einer Adaption des gleichnamigen Romans von Ian McEwan. Und von diesem Modell bewegt sich die Kamera auf die 13-jährige Briony Tallis (Saoirse Ronan) zu, die in ihrem Kinderzimmer im echten Herrenhaus gerade ein Theaterstück beendet hat und nun, mit dem Manuskript unterm Arm, selbstbewusst forsch durch die weitläufigen Räume streift, um für eine Aufführung Mitspieler zu finden.

Keira verzaubert auf der Leinwand und auf dem Teppich
13 Bilder

Keira verzaubert auf der Leinwand und auf dem Teppich

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Foto: Universal Studios

Einmal sieht Briony dabei auch durchs Fenster in den Park, sieht, wie ihre ältere Schwester Cecilia (Keira Knightly) und Robbie (James McAvoy), der etwa 18-jährige Sohn der Haushälterin, am Brunnen stehen und diskutieren, wie Cecilia plötzlich ins Wasser taucht und mit klatschnassen Kleidern wieder heraussteigt, wie Robbie nur dasteht und schließlich den Blick abwendet. Und während Briony diese Szene beobachtet, die sie nicht nur wegen der fehlenden Worte falsch interpretiert, brummt die ganze Zeit eine Biene wütend gegen die Scheibe.

Immer wieder wird die frustrierte Briony nun auf der Lauer liegen und Zeugin von Ereignissen werden, die sie nicht oder, schlimmer noch, nur halb versteht. Und eine solche Jungmädchenfantasie, als Tatsache zu Protokoll gegeben, wird schließlich auf fatale Weise eingreifen in das Leben von Cecilia und vor allem in das von Robbie. Als eine Art Sommernachtsalptraum ist diese Sequenz inszeniert, erotisch aufgeladen, taschenlampendurchflackert, kulminierend in Fehlhandlungen und Verwechslungen.

Aber vorher wird in diesem Jahr 1935 auch Robbie, dem begabten und von der Familie Tallis protegierten jungen Mann, ein Missgeschick passieren. Cecilia, die für ihn bisher eher kumpelige Freundin war und plötzlich - die aus anderer Perspektive noch einmal gezeigte Szene am Brunnen macht es schlagartig deutlich - ein ganz neues Begehren freisetzt, erhält von ihm versehentlich den falschen, den direkten, den auf Konventionen verzichtenden Brief. Und als Cecilia die ins Obszöne gerutschte Erklärung liest, fallen auch bei ihr nach der ersten Verblüffung alle Hemmungen. Und wieder schleicht sich die kleine Briony heran und schaut zu, wie zwei Körper sich erkennen.

Briony spielt Schicksal

Nicht nur in ihren Augen ist solch eine Verbindung ein Skandal, es wäre auch einer für die Familie Tallis, ja, für die englische Oberschicht insgesamt. Der Regisseur Joe Wright aber, der leitmotivisch mit Schreibmaschinengeräuschen arbeitet und metaphorisch immer wieder mit dem Element Wasser, überschreitet die Klassenschranken. Er stellt zwischen Robbie und Cecilia auch dann eine Verbindung her, wenn die beiden räumlich getrennt sind: mit Parallelmontagen etwa oder dadurch, dass der eine die Bewegung des anderen aufnimmt und fortsetzt.

Als dem Paar aber nicht mehr zu helfen ist, stürzt der Film seine Geschichte ins Jahr 1939. Cecilia und Briony sind nun Krankenschwestern, Robbie ist Anführer eines versprengten Armeetrupps, der sich unter den 300000 in Dünkirchen gestrandeten Soldaten wiederfindet. Joe Wright schildert diesen Ort als fast surreale Szenerie.

Er erschließt ihn mit einer extrem beweglichen Kamera, er führt ihn in einer minutenlangen und virtuosen Einstellung vor als ein chaotisches Nebeneinander von Warten, Singen, Träumen und Sterben. Und doch beharrt "Abbitte" auch vor dieser Anhäufung von Historie und vor diesem sozusagen globalen Hintergrund auf dem Schicksal des Einzelnen und darauf, dass auch ein Weltkrieg eine individuelle Katastrophe nicht einfach wegwischt und bedeutungslos macht.

Und dann folgt noch einmal ein radikaler Bruch in dieser Geschichte, sie springt in unsere Gegenwart, sie zeigt eine alt gewordene Briony (Vanessa Redgrave). Und nun geht es darum, wie sie aus einem Schuldgefühl heraus die Rettung der Realität durch Fiktion versucht hat.

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