Neuer TV-Film "Nacht ohne Morgen" Eine Begegnung mit Götz George

Berlin · "Nacht ohne Morgen" heißt der Fernsehfilm, in dem George als Charakterschauspieler brilliert. Es ist eine düstere Geschichte mit bewegenden Bildern und herausragenden Schauspielern. Beim Gespräch im Berliner Kempinski-Hotel verrät der Schimanski-Darsteller, dass er gerne "Tatort" guckt.

 Götz George spielt in dem neuen TV-Film "Nacht ohne Morgen" einen todgeweihten Staatsanwalt.

Götz George spielt in dem neuen TV-Film "Nacht ohne Morgen" einen todgeweihten Staatsanwalt.

Foto: dpa, Jörg Carstensen

Es ist das grüne Sofa in der Ecke des Salons, auf dem Götz George Platz nehmen wird. Er kommt gerne ins Hotel Kempinski, wenn er in seiner Heimatstadt Berlin eine Pause macht. Am Nachbartisch sitzt die "Traumschiff"-Crew, einen Platz weiter ein Fußballweltmeister von 1974.

George trinkt immer Milchkaffee und Wasser, auch wenn er eines seiner seltenen Interviews gibt. Aufs Sofa hat er den aktuellen "Spiegel" gelegt. In eng sitzenden Jeans, Halbstiefeln und einem schwarzen Sportshirt steuert der 73-Jährige schnellen Schrittes seinen Stammplatz an. Er wirkt jünger, trägt eine grau getönte Brille mit Fenstergläsern. Die ist sein Markenzeichen, erklärt er später. Also nicht die hellblauen Augen?

Nichts Privates

Einer der berühmtesten deutschen Schauspieler will über seinen neuen Film "Nacht ohne Morgen" reden, keinesfalls über Privates.

Bekannt ist das Meiste aus der Klatschpresse, was ihm gar nicht passt: Dass George Vegetarier und Tagebuchschreiber sei, geschieden und Vater einer erwachsenen Tochter ist. Dass er mit seiner Partnerin Marika Ulrich in Berlin, Hamburg und auf Sardinien lebt.

Dass er sich als einer der wenigen Stars in "Wetten, dass ...?" gegen Thomas Gottschalks Flachsinn gewehrt hat und "Badeunfall-Millionär" genannt wurde, weil er den Mann, der ihn beim Schwimmen im Meer mit der Schiffsschraube schwer verletzte, verklagt hatte.

Leise Töne liegen ihm weniger

Wie Götz George so da sitzt bei unserem Treffen in Berlin, könnte er aus der Kulisse eines "Tatort"-Drehs entsprungen sein. Unrasiert ist er, breitbeinig hat er sich platziert, schaut seinem Gegenüber nur selten in die Augen, spricht vor sich hin, schnell, aber er nuschelt nicht. Unter Journalisten, die er eigentlich nicht mag, gilt er als humorlos und aufbrausend, manche erleben ihn als Diva. Leise Töne liegen ihm weniger. Anders als im Film.

Seine Filmographie ist dreimal so lang wie die von Charlie Chaplin, darunter einige berühmte: "Schtonk" war mit Sicherheit der beste. Überzeugend auch "Rossini", "Mein Vater", "Der Regenmacher", "Die Katze" und die Schimanski-Kinofilme ("Zahn um Zahn", "Zabou"), die nach dem Publikumserfolg des Kommissars Schimanski auf die fast 30 "Tatort"-Folgen aus Duisburg folgten.

Das Raubein Schimanski lässt ihn nicht los, neue "Schimmi"-Folgen sind denkbar, hört man, wenn nur das passende Drehbuch auf den Tisch käme. Ob er schon mal in Schimanskis Hülle geträumt hat, will ich wissen, und wie nah ihm der Schmuddelkommissar geht, dessen Lieblingsvokabel "Scheiße" ist? "Das sind doch alles nur Rollen, die man ablegt, wenn man nach Hause geht", sagt er. "Morgens holst du sie wieder hervor. Und abends, wenn ich mit Freunden in die Kneipe gehe, ist Schimanski nicht dabei."

Mehr als 1000 Mal gestorben

Erst mit dem "Tatort" kam der Durchbruch für den Sohn der beiden theaterbesessenen Berliner, Heinrich George und Berta Drews. Der ältere Bruder Jan wurde Fotograf, der kleine Götz stand schon mit elf als Hirtenjunge auf der Bühne des Hebbel-Theaters. Und von da an bis heute war er bei der Arbeit — auf Bühnen und vor laufenden Kameras. Im Leben wie im Film hat George viel gespielt, das deutet er an.

Mehr als 1000 Mal ist er gestorben. "Ich habe 60 Jahre durchgearbeitet und fühle mich daher manchmal sehr müde", sagt er. Am wohlsten fühle er sich auf Sardinien, wo er frei von Hektik leben und die Schönheiten der Insel in vollen Zügen genießen kann. Er will die Arbeit reduzieren, nur noch zwei bis drei Filme pro Jahr annehmen, Filme, die zu seinem Alter passen. Und dann nur, wenn die Drehbücher gut sind.

Warum er der am Mittwoch laufenden TV-Produktion "Nacht ohne Morgen" den Zuschlag gegeben hat? "Es ist ein spannendes Buch", sagt er, "eine Geschichte, die nicht so offensichtlich erzählt wird wie viele andere." Tatsächlich bleibt der Zuschauer lange Zeit im Dunkeln darüber, wie verwickelt die Hauptperson in einen Kriminalfall ist.

Die Story um den todkranken Staatsanwalt Jasper Dänert, der sich mit Hilfe einer kecken Polizistin einer Lebenslüge entledigen will, sei eigenwillig, spröde und geheimnisvoll. Adäquate Mitspieler wie Fritzi Haberlandt und Barbara Sukowa sowie der hervorragende Regisseur Andreas Kleinert hätten dazu beigetragen, dass ein guter packender Film mit großartigen Bildern dabei herausgekommen ist.

"Nacktszenen gehören zu meinem Beruf"

George glänzt bei "Nacht ohne Morgen" im Charakterfach. Und zeigt große, psychologisch austarierte Schauspielkunst. Er wird in bewegenden Großaufnahmen inszeniert, kommt plastisch und nah herüber, bildet glaubhaft die Herausforderungen des Psychogramms ab, spielt schnörkellos und in Anbindung an seine Mitspieler. "Ein Film ist immer Teamarbeit", sagt er, "nur wenn der Partner gut ist, bist du auch gut."

Mit 73 Jahren muss der sportlich durchtrainierte Mann, der viel schwimmt und Rennrad fährt, in "Nacht ohne Morgen" eine Bettszene überstehen. Unaufdringlich und delikat ist diese Szene. Weder eitel noch schamhaft war er bei den Dreharbeiten. "Nacktszenen gehören zu meinem Beruf", sagt George. "Für eine Rolle, für einen Film tue ich alles."

Stark rauchen muss er als Staatsanwalt Dänert, was ihm erheblich schwerer gefallen ist. "Man muss ja im Film immer noch viel mehr rauchen, als es aussieht. Das summiert sich für einen Nichtraucher."

Am Ende unseres Gesprächs wird er entspannter. Er schaut gelegentlich "Tatort", sagt er. Seinen Lieblingskommissar hält er aber lieber geheim. Es zieht ihn immer stärker auf die Insel. Und wenn er tatsächlich nicht Schauspieler geworden wäre, dann vielleicht Wirt eines kleinen Restaurants an der sardischen Küste.

(RP/felt/csr/rm)
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