Polizei entdeckt unweit des Eiffelturms unterirdischen Kinosaal - Rätselraten um Tunnel unter Santé-Gefängnis Von Andreas Osterhaus Entdeckt: Katakomben-Kino von Paris

Paris (rpo). Im Pariser Untergrund ist gut munkeln: Tief unterhalb der Seine-Metropole wurden in der Vergangenheit Parties gefeiert und sogar offizielle Führungen veranstaltet, sehr zum Missfallen der Regierung. Was die Polizisten jetzt aber entdeckten, verschlug ihnen die Sprache: Knapp 20 Meter unter dem Chaillot-Palast, gegenüber vom Eiffelturm, entdeckten sie im Pariser Untergrund einen vollständig ausgestatteten Kinosaal, Filmrollen mit Krimis aus den 50-er und 60-er Jahren, eine Bar und Whiskyflaschen.

Die "Kataphilen", die sich seit Jahrzehnten heimlich in den Katakomben von Paris herumtreiben, haben damit ihren bislang spektakulärsten Coup gelandet. Als die Unbekannten feststellten, dass ihnen die Polizei auf die Schliche gekommen war, machten sie eine letzte Stippvisite in dem 400-Quadratmeter-Saal und hinterließen die spöttische Botschaft "Sucht uns nicht".

Bei ihren ersten Recherchen war den Polizisten überhaupt nicht nach Lachen zu Mute. Bevor sie in den Saal mit dem Filmprojektor vordrangen, stolperten sie über einen Draht, der automatisch Hundegebell auslöste. Am Tatort entdeckten sie einen großen Kochtopf, der verdächtig nach einer Bombe aussah - schließlich aber keinen Sprengstoff enthielt. Vorerst gibt es wenig Hinweise, wer hinter diesen Späßen steckt. Da es den unterirdischen Kinogängern gelungen war, das Stromnetz anzuzapfen, wurde erst einmal eine Untersuchung wegen Diebstahls eingeleitet.

Die Einrichtung des unterirdischen Kinosaals ist nicht nur ohne Beispiel für das Treiben der schätzungsweise 200 bis 300 Kataphilen, sondern auch etwas untypisch: Für gewöhnlich steigen die Liebhaber der jahrhundertealten Gänge auf der linken Seite der Seine in den Pariser Untergrund, diesmal entschieden sie sich für die rechte Seite. Vor allem auf dem linken Ufer (Rive Gauche) ist der Untergrund vielerorts ausgehöhlt wie ein Schweizer Käse. Das Tunnelsystem ist 285 Kilometer lang. Entstanden sind die Schächte, als die Pariser Bauherren Kalkstein-Quader für die berühmten Bürgerhäuser mit ihren hellen Fassaden abbauten.

Kurz vor der Revolution von 1789 wurden die Steinbrüche zu Knochenhäusern umfunktioniert, in die die Gebeine von sechs Millionen Parisern eingelagert wurden. Diese Katakomben sind heute eine Touristen-Attraktion und können ganz legal besichtigt werden. Aber das interssiert die Kataphilen nicht. Sie dringen in die abgesperrten Teile vor. Anfang der 80-er Jahre war es regelrechte Mode, Partys in den Knochenhäusern zu veranstalten. Dem bot der damalige Bürgermeister Jacques Chirac Einhalt. Er verwies auf Gefahren durch herabfallende Steinbrocken und Erstickung. Seither ist eine Sondereinheit der Polizei dafür zuständig, den Kataphilen nachzustellen und Strafzettel über 60 Euro auszustellen.

In letzter Zeit hat diese "Brigade d'intervention de la compagnie sportive" alle Hände voll zu tun. Außer dem unterirdischen Kinosaal entdeckten die Polizisten, dass von den alten Schächten aus drei Tunnel unter das Santé-Gefängnis, Frankreichs bekannteste Haftanstalt, vorgetrieben worden waren. Der Anti-Terror-Einheit und der Brigade zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität gibt dies weiter Rätsel auf. Die Tunnel führten unter zwei Wachtürme und den Eingang des Gefängnisses, wurden aber nur seitlich angelegt und nicht nach oben fortgesetzt. Daher hätten sie eventuell für einen Anschlag, aber nicht so sehr für eine Gefangenenbefreiung genutzt werden können.

Die Kataphilen lassen sich von der Polizei nicht schrecken. "Die Gänge im Untergrund von Paris sind ein freier Bereich", sagt der 33-jährige Informatiker "Zeb". "Da hat man seine Ruhe und entkommt der Polizei-Zwangsjacke an der Oberfläche." In den vergangenen Jahren hatte sich eine Art Gentlemen's Agreement zwischen der Katakomben-Brigade und den Kataphilen herausgebildet. "Die kommen nur gelegentlich vorbei und können nicht viel machen", sagt "Zeb". Ein Polizist ließ sich zitieren, außer ein paar Ausgeflippten, die dort unten mit Rauchbomben herumspielten, seien die Kataphilen "nicht besonders gefährlich". Aber dieser Ausspruch fiel vor den jüngsten Vorgängen im Pariser Untergrund.

(afp)
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