Isabelle Huppert im Interview "Fast jeder Film hat etwas Komisches"

Köln · Die französische Schauspielerin Isabelle Huppert ist Ende Oktober in ihrem neuen Kinofilm "Tip Top" in Deutschland zu sehen. Unserer Redaktion gab sie in Köln ein Interview.

 Die große Isabelle Huppert nahm in Köln den eher kleinen "International Actors Award" entgegen.

Die große Isabelle Huppert nahm in Köln den eher kleinen "International Actors Award" entgegen.

Foto: dpa, Henning Kaiser

Das jährliche Treffen der TV- und Filmbranche, die "Cologne Conference", hat ihren ersten "International Actors Award" an Isabelle Huppert verliehen. Ulli Tückmantel traf die französische Schauspielerin vor der Preisverleihung zum Tee.

Isabelle Huppert im Interview: "Fast jeder Film hat etwas Komisches"
Foto: Hersteller

In Wahrheit zeichnet dieser Preis nicht Sie aus, sondern Sie adeln diesen Preis. Was hat Sie bewogen, ihn anzunehmen?

Isabelle Huppert Er mag klein sein, aber die Cologne Conference hat bereits viele herausragende Regisseure ausgezeichnet, ich bin also in guter Gesellschaft. Und die haben einfach sehr nett gefragt.

Ihr aktueller Film "Tip Top" ist eine verrückte Krimi-Komödie. Ich hatte seit "8 Frauen" ehrlicherweise fast vergessen, wie komisch Sie sein können. Wird Ihnen das Image, eher seelische Abgründe darzustellen, vielleicht gar nicht gerecht?

Huppert Menschen neigen natürlich dazu, jemanden in eine Kategorie zu stecken, und da überwiegen bei mir die ernsteren Rollen, keine Frage. Aber ich habe viele Komödien gespielt, auch vor "8 Frauen".

Würden Sie das gern öfter machen?

Huppert Nein, ich bin ganz zufrieden, wie es ist. Die Komödien, die ich spiele, sind ja sehr speziell, auch "Tip Top" ist eher ambitioniert als ein großer Leinwand-Lacher. Aber Sie können in eine ernste Rolle durchaus komische Momente einbringen, das habe ich sogar bei der "Klavierlehrerin" gemacht. Auch die dunklen Rollen in meinen Filmen von Chabrol sind nicht ohne Komik.

Ihre komische Rolle in "Tip Top" hat dagegen eine überraschend dunkle Seite: Lafarge, tagsüber eine harte, trockene Polizistin, die interne Ermittlungen durchführt, genießt nachts sado-masochistische Spiele mit ihrem Ehemann. Sie findet es sogar prickelnd, Tropfen ihres eigenen Blutes aufzulecken. Man sieht es - und glaubt Ihnen. Wo haben Sie das hergeholt?

Huppert Wenn ich eine Rolle spiele, bin ich mir gar nicht immer bewusst, was ich da tue. Manches spiele ich einfach, weil der Regisseur es will, ohne mir selbst darüber klar zu sein. So war das auch in diesem Fall, zumal das Drehbuch einigermaßen unverständlich war. Die Rolle der Lafarge hat so viele Gesichter, dass es unmöglich ist, sie in einen Gesamtcharakter zu bringen. Das gilt für den ganzen Film, aber das macht auch seinen Reiz aus. Er ist mehr wie ein Bild von Picasso als eine nette Landschaft. Ich finde ihn gut!

Ist sexuelle Abweichung von der Norm für Sie eher eine Möglichkeit, das Komische oder das Tragische aus einer Figur herauszuholen? Oder ist es beides?

Huppert Natürlich beides! Es ist natürlich lustig, in diesem Fall legt es eben auch eine gewalttätige Struktur offen. Und neben der gibt es wieder sehr poetische Aspekte.

Vor "Tip Top" kommt in Deutschland Ende Oktober "Die Nonne" in die deutschen Kinos. Sie spielen eine Oberin, die sich in eine jüngere Nonne verliebt und an dieser "amour fou" zerbricht und stirbt. Es ist das erste Mal, dass Sie eine Frau spielen, die sich in eine Frau verliebt, oder?

Huppert Ja, ich glaube schon. Das Thema liegt ja gerade auch sehr in der Luft. Ich habe darüber aber auch nicht nachgedacht. Die meisten Szenen sind ein bisschen lustig, weil die Oberin die junge Nonne immer anguckt wie eine Süßigkeit, die sie unbedingt haben will. Ich hatte gar nicht den Eindruck, eine Lesbe zu spielen, was ich gut finde, weil es beweist, dass Liebe und Sehnsucht kein Geschlecht kennen. Es fühlte sich sehr natürlich an.

Weil die Oberin das Habit einer Nonne trägt, rückt Ihr Gesicht noch stärker als sonst in den Fokus. In vielen Ihrer früheren Filme kann man in Ihrem Blick förmlich versinken. Aber diesmal sprudelt es fast kindlich aus Ihnen heraus.

Huppert Ich glaube, meine Rolle ist am nächsten an der Roman-Vorlage von Diderot, so beschreibt er sie. Diese Frau wird von ihren Gefühlen regelrecht überwältigt. Ich habe das Buch vor den Dreharbeiten noch einmal gelesen, und das hat mich bestimmt beeinflusst. Sie hat dieses Kindliche in sich. Wenn sie abends in den Raum der jungen Nonne schleicht, sucht sie nach Wärme und Geborgenheit.

In Köln haben Sie einen Preis bekommen, in Cannes waren Sie 2009 Präsidentin der Jury. Was macht einen guten Film zu einem guten und einen schlechten zu einem schlechten?

Huppert Ich will das Klischee vermeiden, dass das eine Sache des Gefühls ist, aber ich spüre das einfach. Und es entscheidet sich ja nicht mit den ersten Bildern. Es liegt daran, wie die Schauspieler ihre Rolle spielen, wie die Geschichte erzählt wird. Ich habe da keine Liste mit Kriterien im Kopf, die ich abhake.

In Frankreich ist in diesem Jahr "Heaven's Gate", ihre einzige Hollywood-Produktion und ein Western noch dazu, nach 30 Jahren in einer restaurierten Fassung ins Kino gekommen. Haben Sie ihn noch einmal angesehen?

Huppert Ja, er ist toll geworden. Es war für mich aber keine Wiederentdeckung. Ich kenne jede Szene, ich habe ihn über die Jahre oft gesehen. Ich mag ihn auch mit den neuen Farben.

Mindestens zur Hälfte ist die "Cologne Conference" ein TV-Treffen. Mögen Sie eigentlich Fernsehen?

Huppert Oh ja, ich habe nur meistens nicht die Zeit dafür. Es ist ja gerade in Mode, sich komplette Staffeln von amerikanischen Serien auf DVD anzusehen, viele meiner Freunde tun das. Ich glaube, dass diese TV-Serien den Zuschauern das Gefühl von Dauer verleihen, und sie mit den Figuren sehr vertraut werden. Ich habe kürzlich eine Folge "House of Cards" mit Kevin Spacey gesehen und fand es großartig. Damit würde ich auch ein paar Abende auf dem Sofa verbringen, aber lieber gehe ich ins Kino.

(RP)
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