"Alles Geld der Welt" Ausgezeichnete Schnitt-Technik

"Alles Geld der Welt" ist der Film, aus dem Kevin Spacey eliminiert wurde.

 Christopher Plummer in einer Filmszene von "Alles Geld der Welt".

Christopher Plummer in einer Filmszene von "Alles Geld der Welt".

Foto: ap

Das ist der Film, dessen Hauptdarsteller entfernt wurde, weil in Zukunft niemand sagen sollte, das sei ein Film, aus dem man den Hauptdarsteller hätte entfernen müssen. Wobei man nach Ansicht des Films sagen muss, dass der überhaupt nur deshalb in Erinnerung bleiben wird, weil der Hauptdarsteller entfernt wurde. Ästhetisch hat "Alles Geld der Welt" nämlich nicht die Kraft, die Debatte vergessen zu lassen, die sich vor dem Kinostart an der Produktion entzündete.

Ridley Scott drehte den Film, und es geht darin um den sagenhaft reichen Öl-Tycoon John P. Getty, dessen Enkel entführt wurde. Der Alte will die 17 Millionen Dollar Lösegeld nicht zahlen, er hat Angst vor Nachahmern, und erweichen lässt er sich erst, als er die Möglichkeit sieht, das Ganze steuerlich lukrativ abzuwickeln. Bis dahin legt er sein Geld weiter in sündteurer Kunst an. Kevin Spacey hatte diesen Unsympathen gespielt, dann wurden die Anschuldigungen gegen ihnen offenbar, sie beinhalteten sexuellen Missbrauch - ein Opfer soll minderjährig gewesen sein. Ridley Scott wollte den Film retten und entschloss sich zu einem sensationallen Schritt: Er schnitt Spacey heraus, drehte dessen Szenen mit Christopher Plummer neu und fügte sie nachträglich in den ansonsten fertigen Film.

Plummer ist nun für diese Rolle für einen Oscar nominiert, und tatsächlich macht er seine Sache ziemlich gut. Der Fall Getty hat sich nahezu genau so zugetragen, im Jahr 1973 war das, und der Enkel kam frei, die Entführer hatten ihm ein Ohr abgeschnitten. Der Film bleibt bei diesem Fall, und er erzählt kaum von dem Enkel, der ja eine interessante Figur war. John Paul Getty III heiratete 1974 Gisela Schmidt, die zuvor mit dem kürzlich verstorbenen Schauspieler Rolf Zacher liiert war und mit ihrer Zwillingsschwester Jutta Winkelmann zu den populären Figuren der 68er in Deutschland gehörte. Winkelmann wiederum war Teil der "Harem" betitelten Lebensgemeinschaft um Rainer Langhans. Die Schwestern standen dem Psychedelik-Meister Timothy Leary nahe, und je mehr man aus diesen Biografien referiert, desto stärker fragt man sich, ob das Drehbuch nicht irgendwie an den interessanten Stellen vorbeierzählt.

"Alles Geld der Welt" schildert mit präziser, aber auch etwas blutarmer Dramaturgie den Kriminalfall herunter. Michelle Williams spielt allzu deutlich verzweifelt die Mutter des Entführten. Mark Wahlberg ist der Problemlöser, der alles richten soll. Das ist gut anzusehen und trotz bekannten Ausgangs spannend.

Das Schönste wäre, wenn man in der späteren DVD-Auswertung Material mitgeliefert bekäme, das den Vergleich von Spacey mit Plummer ermöglichte. Plummer spielt Getty mit einer Restwärme. Man meint, ganz hinten in der Persönlichkeit dieses Ebenezer Scrooge doch noch den Großvater zu erahnen. Bei Spacey - aber das ist Mutmaßung - dürfte Getty brutaler gewesen sein, böser. Hinter den Bildern des Films bleibt viel Raum zum Grübeln.

Alles Geld der Welt, USA 2017, von : Ridley Scott, mit Christopher Plummer, Michelle Williams, 132 Min.

(hols)
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