Filmkritik "Auslöschung" Wirrer Horror-Mischmasch mit Natalie Portman

Düsseldorf · Weil ein Geldgeber beim Filmstudio Paramount mit der Roman-Adaption "Auslöschung" nicht zufrieden war, landete der Film sofort bei Netflix statt in den Kinos. Er ist eine gut aussehende Enttäuschung.

 Mit Sturmgewehr und Schlafsack, aber ohne Schutzkleidung stolpern Lena (Natalie Portman) und ihr Team in den mysteriösen "Schimmer".

Mit Sturmgewehr und Schlafsack, aber ohne Schutzkleidung stolpern Lena (Natalie Portman) und ihr Team in den mysteriösen "Schimmer".

Foto: Paramount Pictures

Es ist nicht der schlechteste Beginn: Ein Meteorit schlägt vor der Küste Floridas ein. Doch damit landet auch außerirdisches Leben auf der Erde, das sich in einer Art überdimensionaler Seifenblase verbirgt. Das Problem: "der Schimmer" dehnt sich unaufhaltsam aus. Damit hat man aber leider bereits fast das Beste gesehen. Der Rest des Films wird von einem Satz geprägt: "Ich weiß es nicht."

Die Protagonistin, Biologin Lena (Natalie Portman), Mitglied einer Expedition in den Schimmer, wird von einem Mann im Schutzanzug befragt: Wie lange sie denn im Schimmer gewesen sei? Was mit den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe passiert sei? Wovon sie sich ernährt habe? Die Antwort bleibt meist: "Ich weiß es nicht." So weit, so gut. Es folgt natürlich die obligatorische Rückblende, damit auch der Zuschauer erfährt, was passiert ist.

 Taumelt durch riesige Logiklöcher: Hauptdarstellerin Natalie Portman.

Taumelt durch riesige Logiklöcher: Hauptdarstellerin Natalie Portman.

Foto: Paramount

Ein Logikloch reiht sich an das nächste

Lenas Mann, der Soldat Kane (Oscar Isaac), war vor ihr Mitglied einer früheren Expedition in den Schimmer, die aber als verschollen gilt. Nach einem Jahr kehrt er plötzlich zurück — zu ihr nach Hause. Sie fragt ihn, was passiert sei. Antwort: "Ich weiß es nicht." Dann bricht er zusammen und landet in einem Militärstützpunkt an der Grenze zum Schimmer, wo er ins Koma fällt. Er scheint der Erste zu sein, der jemals wieder aus dem Schimmer zurückgekehrt ist. Und natürlich schließt sich Lena freiwillig der nächsten Expedition an, die nur aus Frauen besteht. Warum das so ist? "Weil die vorherigen Gruppen nur aus Soldaten bestanden." In der Welt des Films scheint es also keine weiblichen Armee-Angehörigen zu geben. Bis auf Lena, die vor ihrem Studium sieben Jahre lang gedient hat. Jedenfalls ziehen auch die Mitglieder der neuen Expedition mit Sturmgewehren los, dafür aber ohne Schutzkleidung, obwohl man sich im Stützpunkt Lenas Ehemann Kane nur in Bio-Anzügen nähert — aus Angst vor einem Virus. Diese Logik muss man nicht nur nicht verstehen. Man kann es gar nicht. Weil es keine gibt.

Im Inneren des Schimmers dann begegnet der Gruppe einer Reihe von wilden Mutationen. Seien es Pflanzen oder Tiere. Da ist es ein Glück, dass Lena als Biologin eher zufällig mitgekommen ist. Vorgesehen war sie anfangs für diese Expedition nicht. Und nach dem Angriff durch einen Alligator mit Haifisch-Zähnen — wilde Mutationen eben — macht sich die Gruppe in kleinen, unsicheren Paddelbooten weiter auf den Weg. Das ist auch das erste, was man tut, wenn man im Sumpf von einem überaus aggressiven und widerstandsfähigen Alligator angegriffen wurde — statt sich aus Sicherheitsgründen an Land weiter zu bewegen.

Das unsinnige Verhalten zieht sich durch einen Film, in dem ein Logikfehler den nächsten jagt. Gepaart mit sehr bemüht und erzwungen wissenschaftlich klingenden Sätzen, die aber verpuffen — wenn man sieht, wie eine Biologin mehrmals Proben ohne Handschuhe nimmt.

Optisch und tricktechnisch durchaus beeindruckend

Man darf bei "Auslöschung" eben nicht nach Logik fragen: "Ich weiß es nicht" — das scheint Programm zu sein. Dafür versucht Regisseur Alex Garland ("Ex Machina") die Sinnfrage mit opulenten und tatsächlich auch beeindruckenden Bildern zu beantworten. "Auslöschung" sieht stets sehr gut aus. Die Welt hinter dem Schimmer ist grandios in Szene gesetzt und wirkt manchmal so grotesk wie ein LSD-Trip: bunt und verrückt. Bisweilen schafft der Film es sogar, Horror zu erzeugen. Gelungen, weil nervenaufreibend und unheimlich, sind allerdings nur die wenigsten Momente.

Die Romanvorlage von Jeff VanderMeer gilt als ein modernes Horror-Meisterwerk. Regisseur und Drehbuchautor Alex Garland hat dem aber noch das Science-Fiction-Element übergestülpt — und scheitert damit. Horror funktioniert durch das Unerklärliche, durch das Unheimliche und Bedrohliche. Science Fiction aber basiert eben auf "Science", Wissenschaft. Und das bedeutet mehr, als ab und zu ein paar Wikipedia-Einträge einzuwerfen.

Blasse Figuren ohne Persönlichkeit

Das alles hätte vielleicht doch noch funktionieren können, wenn es von den Charakteren getragen worden wäre. Tatsächlich aber haben nur Lena und die Expeditionsleiterin und Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh) noch so etwas wie eine Persönlichkeit. Alle anderen Figuren sind nicht mehr als bessere Statisten, die vor allem durch ihre Probleme definiert werden. Zur Expedition gehörem eine ehemalige Alkoholikerin und eine "Ritzerin", die sich selbst verletzt. Und eine Wissenschaftlerin, die den Krebstod ihrer Tochter nie überwunden hat. Wie es eine solche Gruppe von traumatisierten Menschen in ein Team schafft, das etwas Außerweltliches erforscht? Das bleibt das Geheimnis des Films. Es gehört leider zum Hollywood-Klischee, dass nur problembeladene Menschen für solche Missionen geeignet scheinen. Ebenso wie Wissenschaftler, die höchst unwissenschaftlich denken und vorgehen.

Dafür hat der Film natürlich noch eine Meta-Ebene. Am Anfang spricht Lena zu Studenten über Krebs. Und der Schimmer wuchert ebenfalls wie ein Krebsgeschwür in unsere Welt hinein. Dann redet Dr. Ventress, die selbst an Krebs erkrankt ist, über die selbstzerstörerischen Impulse des Menschen. So wie der Schimmer, der willkürlich alles auseinandernimmt. Sogar die Gene. Daher rühren dann auch die Mutationen. Das Außerweltliche ist die Reflexion der selbstzerstörerischen Natur des Menschen. Eine tiefgründigere Betrachtung der menschlichen Psyche gab es indes in dem sehr viel besseren und berührenden sowjetischen Science-Fiction-Film "Stalker" von 1979, der mittlerweile als Kult-Klassiker gilt — und dessen Story und Inszenierung "Auslöschung" sehr, sehr ähnlich ist.

Sinnbefreit, wirr, ziellos

Das Netflix-Drama wirkt vielleicht wie ein intelligentes Science-Fiction-Drama. Tatsächlich aber ist es nur eine wirre Geschichte, vor der Regisseur und Drehbuchautor Garland am Ende kapituliert hat — weil er nicht weiter wusste und sich dafür in ein zweideutiges, sinnbefreites Ende rettete. Lena sagt schlussendlich, dass sie nicht sicher sei, ob die Aliens überhaupt etwas wollten. Das Gefühl hat der Zuschauer am Ende auch. Was bleibt, ist die schauspielerische Leistung von Natalie Portman und Oscar Isaac — und der Satz "Ich weiß es nicht". Den möchte man nach dem Abspann fortsetzen mit: "Und es interessiert mich auch nicht".

(jov)
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