Interview mit Frank Hoffmann "Filmemachen ist eine Ergänzung zu meiner Theaterarbeit"

Düsseldorf · Frank Hoffmann, 1954 in Luxemburg geboren, ist seit 2004 Intendant und Geschäftsführer der Ruhrfestspiele Recklinghausen und hat als Regisseur unter anderem in Berlin, Paris, Köln und Stockholm gearbeitet. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über seinen Wechsel vom Theater zum Film und über sein Verhältnis zu Maximilian Schell.

 Maximilian Schell als Mr. Escher und Isild Le Besco als Amalia in einer Szene des Kinofilms "Die Räuber".

Maximilian Schell als Mr. Escher und Isild Le Besco als Amalia in einer Szene des Kinofilms "Die Räuber".

Foto: dpa, sab

Nun hat der Theatermann einen Film gedreht. Am Donnerstag kommt "Die Räuber" in die Kinos — unter anderem mit Maximilian Schell in seiner letzten Rolle.

Warum wechselt ein Theatermann hinter die Filmkamera?

Hoffmann Das ist kein neuer Versuch, ich habe schon zwei experimentelle Filme gemacht. Aber dann habe ich lange Jahre an einem Drehbuch gearbeitet, das ich nicht realisiert habe, und dann habe ich ebenfalls sehr geduldig an den "Räubern" geschrieben, immer parallel zu meiner Theaterarbeit. Ich liebe den Film, ich brauche dieses Medium von Zeit zu Zeit.

Warum?

Hoffmann Ich liebe am Film, was das Theater nicht leisten kann: die andere Bildsprache, den anderen Umgang mit Stoffen. Mit "Die Räuber" habe ich nicht Schiller verfilmt, es gibt nur sehr wenige Textpassagen und versteckte Anspielungen direkt aus dem Stück, ich wollte kein abgefilmtes Theater. Darum war mir klar, dass ich sehr weiten Abstand von Schiller nehmen musste, um den Stoff wirklich in das andere Medium zu transponieren.

Sie haben auch die Zeit transponiert, Ihre "Räuber" spielen in der Gegenwart..

Hoffmann Ja, Schiller hat mit den "Räubern" den "Sturm und Drang" geboren, mein Film spielt im Bankermilieu, unter Kapitalisten, wo die Gefühle eher implosiv sind als explosiv. Das ist ein Anti-"Sturm und Drang"-Milieu. Ich kenne viele Banker, das sind sehr kontrollierte Leute, überaus korrekte Menschen, sie wirken langweilig. Aber es gibt keine langweiligen Menschen. Ich habe den Bankern im Film Schillers Figuren eingeschrieben, ich habe ihnen das Temperament, die Leidenschaft von Karl und Franz und den anderen eingepflanzt — und so wird etwas sichtbar: Wir leben noch immer in archaischen Familiensystemen, wie zu Schillers Zeit. Die Oberfläche wirkt glatter, kontrollierter, doch die Schemata sind gleich.

Man hätte vermuten können, dass sie einfach zeigen wollten: Banker sind die Räuber unserer Zeit.

Hoffmann (lacht) Das auch.

Wenn Sie sich für Ihren Film so weit von Schiller entfernen müssen, warum dann nicht gleich eine neue Geschichte erzählen, warum "Die Räuber"?

Hoffmann Weil diese Figuren so eine Kraft haben! Die Dialoge sind aus der Gegenwart, aber die Figuren stammen von Schiller. Franz, Karl, das sind archaische Brüderfiguren: der eine der Kalte, Ehrgeizige, der immer übergangen wurde, der andere der Gute, Freiheitsliebende. Das habe ich in die Bankenwelt gespiegelt, die ja etwas Künstliches hat. Es erinnert ja fast an Szenen von Visconti, wenn Manager bei ihren Geschäftsessen sitzen.

Und inmitten dieser Szenerie: Maximilian Schell in seiner letzten Rolle als der alte Vater Moor. Wieso er?

Hoffmann Schell ist eigentlich gegen die Rolle besetzt, denn der Vater bei Schiller ist eine schwache Figur. Schell hingegen spielt den Moor als Fels in der Brandung, der seine Schwäche nicht zugibt. Deswegen wollte ich ihn haben, Schell konnte das spielen: Stärke behaupten, aber Fragilität durchscheinen lassen.

Eigentlich wollte er doch nicht mehr spielen.

Hoffmann Ja, ich musste ihn überreden. Ich kannte ihn von einem Strindberg-Abend, den er bei den Ruhrfestspielen gemacht hat. Schell war einer der letzten Universalkünstler unserer Zeit, er hat gespielt, geschrieben, gemalt, hervorragend Klavier gespielt, vor allem war er aber ein großer Sammler. Ich bin zu ihm auf die Alm gepilgert, habe ihn in seinem wunderschönen, schlichten Haus in den Bergen besucht. Da gab es einen Bereich, der ganz dem Andenken seiner Schwester Maria gewidmet war. Wir haben Tee getrunken, über Kunst und Film gesprochen. Plötzlich fiel mir ein Bild auf, das hinter dem Sofa stand. "Das ist ein Bild von Picasso, mit einer Widmung an mich", hat Schell gesagt. Das stand einfach auf dem Boden. Das war Schell.

Er hätte Ihren Film auch sprengen können.

Hoffmann Ja, aber wir haben einander vertraut. Schell war immer sehr präsent in allem, was er gespielt hat, seine Persönlichkeit war sehr stark. Er hat den Film gemocht, darum ist er noch einmal vor die Kamera getreten, und dann hat er den Film geprägt.

Wie lief die Zusammenarbeit?

Hoffmann Er kam mit 83 Jahren perfekt vorbereitet zum Dreh. Aber ich habe viele Stunden bei ihm im Wohnwagen gesessen und mit ihm über seine Texte gesprochen. Er hatte eigene Vorstellungen und er kannte keine Müdigkeit, die Drehtage endeten tief in der Nacht. Beim Druck, der bei Filmarbeiten herrscht, muss man das aushalten können. Es hat sich gelohnt.

Bleiben Sie dem Theater und den Ruhrfestspielen trotzdem treu?

Hoffmann Für mich ist das Filmemachen eine Ergänzung zu meiner Theaterarbeit. Ich habe wieder Blut geleckt, ich werde das weitermachen, ich brauche das Medium — und das Filmemachen stört die Ruhrfestspiele nicht. Mein Vertrag in Recklinghausen läuft bis 2018, irgendwann muss natürlich ein anderer kommen, aber solange ich das Gefühl habe, mich nicht zu wiederholen, möchte ich meine Festivalarbeit fortführen.

Dorothee Krings führte das Gespräch.

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