Interview mit Giancarlo Esposito "Mich kennt niemand, aber jeder kennt Gus Fring"

Albuquerque · Im Interview spricht Giancarlo Esposito (58) über das Comeback seines Charakters bei "Better Call Saul", Yoga gegen Reizüberflutung und die Gefährlichkeit der Glorifizierung von Gangstern.

 Soll „Breaking Bad“-Fans auch für „Better Call Saul“ begeistern: Gangsterboss Gus Fring (Giancarlo Esposito) trifft auf den windigen Anwalt Saul Goodman (Bob Odenkirk) und Killer Mike Ehrmantraut (Johanthan Banks).

Soll „Breaking Bad“-Fans auch für „Better Call Saul“ begeistern: Gangsterboss Gus Fring (Giancarlo Esposito) trifft auf den windigen Anwalt Saul Goodman (Bob Odenkirk) und Killer Mike Ehrmantraut (Johanthan Banks).

Foto: Michele K.Short/AMC

Die Popularität von "Breaking Bad" explodierte 2011, als der von Ihnen gespielte Bösewicht hinzustieß. Nun geschieht dasselbe bei "Better Call Saul". Was glauben Sie, wird diese Serie nun ebenfalls viel populärer?

Giancarlo Esposito (ruft laut): Aber natürlich wird das passieren, selbstverständlich, ganz ohne Frage! (lacht) Im Ernst: Das ist eine Serie für kluge, kreative Menschen. Ich kenne viele Leute, die "Better Call Saul" sogar besser finden als "Breaking Bad". Keine Ahnung, ob die Zuschauerzahlen jetzt noch einmal kräftig ansteigen. Aber verdient wäre es. Die Leute sollten wissen, dass es diese Serie gibt, dass sie anders ist als "Breaking Bad", und dass sie verdammt gut ist.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Charakter Gustavo Fring?

Esposito In erster Linie bin ich sehr neidisch auf ihn, weil er sehr viel berühmter ist als ich. Meinen fucking Namen Giancarlo Giuseppe Alessandro Esposito kennt keiner, aber jeder kennt Gustavo Fring. (imitiert mit gespielter Abscheu einen Sprechchor:) "Gus! Gus! Gus!"...

Eigentlich wollten Sie nicht zurückkommen.

Esposito Ich hatte Bedenken, diesen Kult-Charakter wiederzubeleben. Nach einiger Zeit habe ich mich total egozentrisch darauf versteift, dass es nur eine Möglichkeit für ein Comeback gäbe — mit einer neuen, eigenen Serie namens (ahmt die tiefe, bombastische Stimme eines Ansagers nach): "The Riiiiise of Gus Fring"! Das habe ich endlos wiederholt — in der Hoffnung, dass sie es alle hören würden: Vince Gilligan, AMC, Sony...

Stattdessen kam „Better Call Saul".

Esposito Eines Tages rief mich Vince [Gilligan, der Schöpfer von "Breaking Bad"] an und sagte: "Wir würden es lieben, wenn du diesen Charakter noch einmal spielst, den du erschaffen hast." Worauf ich sagte: "DU hast ihn erschaffen". Worauf er sagte: "Nein, DU hast ihn erschaffen." So ging es fünf Minuten lang hin und her, bis wir uns darauf einigten, dass er ihn geschrieben hat und ich ihn zum Leben erweckt habe (lacht). Aber ich wollte definitiv nicht zurückkommen, bloß damit es irgendeinen Bösewicht gibt. Zumal "Better Call Saul" zu Beginn ja mehr oder weniger als Comedy-Serie gedacht war.

Sie haben es also ursprünglich abgelehnt, zurückzukommen.

Esposito Insgesamt drei Mal. Für eine oder zwei Folgen stehe ich nicht zur Verfügung, habe ich gesagt. Als alter Theaterschauspieler will ich ein echter Teil einer Gruppe sein, nicht bloß ein Gaststar. Außerdem fand ich auch, dass es dem Publikum gegenüber unfair gewesen wäre, sie mit einem Comeback für Gus zu locken, das dann aber nicht lange währt.

 Esposito in seiner Paraderolle als Gangsterboss Gus Fring.

Esposito in seiner Paraderolle als Gangsterboss Gus Fring.

Foto: Michele K.Short/AMC

Sowohl "Breaking Bad" als auch "Better Call Saul" zeigen das Gute, das in bösen Menschen steckt, und andersherum.

Esposito Ja, das macht diese Serien so großartig! Mein Charakter ist grimmig und kaltblütig, aber auch intelligent und respektvoll. Er bringt Menschen dazu, Drogen für ihn zu produzieren, aber zuvor finanziert er ihnen ein Chemiestudium. So ähnlich ist es doch auch im echten Leben. In jedem von uns gibt es Dunkelheit und Licht. Wenn Sie so wollen, kämpfen zwei Hunde in uns. Ein Pitbull oder Dobermann, der alles in Stücke reißen will — und ein knuffiger Pudel, der jedem den ganzen Tag übers Gesicht leckt. Welcher von beiden gewinnt? Das ist ganz einfach zu beantworten: Der, den du fütterst.

Was war die größte Herausforderung dabei, wieder in diese Rolle zu schlüpfen?

Esposito Die Zuschauer sehen Gus in mir, sobald ich nur böse gucke. Ich muss aber unbedingt vermeiden, dass Gus zu einer Parodie seiner selbst wird. Die größte Herausforderung ist, diese Rolle nicht leichtfertig zu spielen, halbherzig. Nicht zu denken: Das kann ich doch im Schlaf. Das wäre ja gegangen, auch wenn diese Version von Gus etwas jünger ist, energetischer, vielleicht... weniger bedrohlich? Okay, Letzteres bezweifle ich. Aber ich bekomme die Chance, seine Tiefen auszuloten, seine Wurzeln und Beziehungen näher zu erforschen, auch seine Verletzlichkeit. Wirklich präsent zu sein — ganz im Hier und Jetzt — ist die größte Herausforderung. Für mich in dieser Situation, aber auch für uns alle, in allem, was wir tun.

 Ebenso gefährlich wie "Heisenberg" Walter White (Bryan Cranston, links) persönlich: Gus Fring (Giancarlo Esposito) in "Breaking Bad".

Ebenso gefährlich wie "Heisenberg" Walter White (Bryan Cranston, links) persönlich: Gus Fring (Giancarlo Esposito) in "Breaking Bad".

Foto: ap, Ursula Coyote

Haben Sie damit sonst Probleme?

Esposito Ich denke, wir alle sind nervöser als jemals zuvor, weil die Reizüberflutung so extrem ist. Überall wird dir gesagt, was du denken, fühlen, kaufen sollst. Ich versuche ganz aktiv gegenzusteuern, Ruhe zu finden, durch Yoga, Meditation, Atemübungen. Wenn ich das mal an einem Morgen nicht tue, nicht daran denke, dass ich mit etwas Größerem verbunden bin, wird mein Tag nicht so gut. Und jeder hat so etwas (blickt in die Runde von Journalisten): Für dich könnte es das Laufen sein, für dich Yoga und für dich, was weiß ich... Nasebohren!? (lacht)

Gus Fring hat immer alles unter Kontrolle. Sie auch?

Esposito Ich versuche schon, zu kontrollieren, was ich kontrollieren kann. Ich habe ein gutes Gespür dafür entwickelt, was die Leute, die auf mich zukommen, von mir wollen. Inzwischen weiß ich schon aus zwei Metern Entfernung: Der da will ein Foto mit mir, der will Geld, der will mir eine Rolle andrehen... Ich trainiere das, letztlich um mich zu fragen, was ich eigentlich selbst will. Das ist gar nicht so leicht herauszufinden. Und wenn du endlich weißt, was du willst, musst du es laut und deutlich verlangen! Wie oft tun wir das? Meistens hoffen wir einfach nur. Denken, es wird schon irgendwie, oder eben nicht. Aber man muss rausgehen und sich holen, was man will.

Haben Sie keine Sorge, dass sich mancher Zuschauer all die Antihelden zum Vorbild nimmt? Walter White, Saul Goodman — oder eben Gus Fring, der Kriminalität als Business betrachtet, aber auch ohne mit der Wimper zu zucken mordet?

Esposito Sie haben Recht, Glorifizierung von Kriminellen ist ein gefährliches Thema. Aus genau diesem Grund habe ich vor 25 Jahren bewusst aufgehört, Dealer und Gangster zu spielen. Aber "Breaking Bad" war etwas anderes. Es hat ein Schlaglicht darauf geworfen, was Crystal Meth anrichtet. Dieses Zeug ist eine echte Seuche, und seit "Breaking Bad" weiß das jeder.

Wonach streben Sie im Leben?

Esposito Meine Mission, ist mein verdammtes Ego kleinzuhalten, nicht immer so ein Riesenbaby zu sein, so wütend und ungeduldig. Manchmal denke ich, ich bin der Größte. Und dann vergesse ich im Skiurlaub meine Handschuhe, friere mir fast die Hände ab, verliere auf dem Berg auch noch einen Ski, muss zu Fuß runterlaufen. Und merke: Ich habe längst nicht alles in der Hand. Das erdet ungemein.

(tojo)
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