"Im Himmel trägt man hohe Schuhe" Beste Freundinnen bis in den Tod

"Im Himmel trägt man hohe Schuhe" ist ein berührendes und großartig gespieltes Krebsdrama, das ohne Pathos auskommt.

 Milly ist schwer erkrankt und kämpft um ihr Leben.

Milly ist schwer erkrankt und kämpft um ihr Leben.

Foto: arrangement

Die Bezeichnung "Frauenfilm" wird von Männern oft mit einem abschätzigen Unterton benutzt. Damit kategorisieren sie dann solche Produktionen, in denen komplizenhaft an ihnen vorbeigezwinkert wird und Robert De Niro nicht mitspielen darf. "Im Himmel trägt man hohe Schuhe" ist auch ein Frauenfilm, aber der Begriff ist überhaupt nicht negativ gemeint, im Gegenteil, als Mann fühlt man sich halt mitunter wie der Lauscher an der Wand; einer der ersten Sätze lautet zum Beispiel "Ich ovuliere". Es geht um Krebs, um Brustkrebs, um genau zu sein, und Drew Barrymore und Toni Collette spielen Freundinnen, deren Zuneigung ein Leben lang trägt, sogar bis in den Tod.

Es gibt einige Filme mit ähnlicher Thematik, "Der geilste Tag" von Florian David Fitz ist das aktuellste Beispiel. Auffällig ist, dass darin zumeist Männer im Mittelpunkt stehen, und die möchten im Angesicht des Todes offenbar endlich die Sau rauslassen. Tenor: Alles egal, jetzt denken wir an uns - Bier her now. Freundschaft wird als Buddytum dargestellt, als Kumpel-Beziehung, die nicht vieler Worte bedarf - "wir" und "hier" genügen. Das Ende spielt immer an der See; wie ein Kind sitzt Mann dann da und schaut in ein Meer aus Selbstmitleid. Danach entfernt sich die Kamera diskret.

In "Im Himmel trägt man hohe Schuhe" ist es Toni Collette, die sterben muss. Der Zuschauer bekommt alles mit, die Gespräche mit dem Arzt, die die Handlung in drei Kapitel gliedern, die Reaktion des Körpers auf die Chemotherapie, Schmerz und Verfall. Dabei läuft der Alltag stets weiter, Haushalt, Wäschewaschen, Sich-Kümmern-Müssen. Milly, so heißt die Frau, die von Collette gespielt wird, hat zwei fordernde Kinder und einen Rocker-Mann, der nicht gerade der hellste Stein beim Juwelier ist. Als Milly nach der beidseitigen Mastektomie aus der Narkose erwacht, begrüßt er sie mit dem Satz "Der Chirurg sagt, dass die OP ein großer Erfolg war."

Zum Glück hat Milly aber auch Jesse; aus Schulzeiten kennen sich die beiden, und gemeinsam kümmern sie sich umeinander und um das, was geregelt sein sollte, wenn die Familie ohne Milly weiterleben muss. Jesse, das ist nun der dramatische Kniff, erwartet ihr erstes Kind, und sie weiß nicht, ob sie es der Freundin sagen soll - jetzt, in diesem Moment — und vor allem: wie.

Catherine Hardwicke hat den Film inszeniert, man kennt sie als Regisseurin der ersten "Twilight"-Verfilmung, und deren Ästhetik greift sie hier auf. Die Farben sind warm abgetönt, in Gesprächen zoomt die Kamera auf Mund, Nase oder Ohren, und wenn die Freundinnen in der zweiten Hälfte des Films einen Ausflug ins Moor machen, spiegelt sich in der Landschaft die Verfassung der Protagonisten.

Das ist ein Film aus der Gegenwart, und wer nun denkt, dass das sicher zwei enorm deprimierende Stunden sind, täuscht sich. Hardwicke inszeniert die Dialoge mit Tempo und Sinn für robusten Humor, sie weist den Worten therapeutische Wirkung zu, und tatsächlich findet auch der Zuschauer in der anspielungsreichen Privatsprache von Milly und Jesse Geborgenheit. "Wenn Du den Kindern von uns erzählst, beschönige unsere Studentenzeit. Aber sag ihnen, wie lieb ich sie hatte." Es ist eigenartig, aber man fühlt sich sehr wohl in diesem Film.

Genau deshalb haben die kleinen Vanitas-Symbole so eine eindringliche Wirkung. Die lange Nadel etwa, durch die das scheinbar rettende Gift in Millys Körper läuft. Das Surren des Rasierers, mit dem ihr Kopf geschoren wird. All das ist so gefilmt, das es neu wirkt und berührt. So wie die Szene, in der Milly ihrem Mann und ihrer Mutter erzählt, wie lange sie zu leben hat: Man hört es nicht, man sieht lediglich im Vordergrund die Zwillinge spielen und im Hintergrund Schemen von Erwachsenen. Einer bricht schließlich zusammen, es ist Millys Ehemann. Bald ist er allein.

Das Besondere dieses Film liegt darin, dass er etwas Existenzielles völlig unpathetisch ins Bild bringt, dass er von der Liebe erzählt, ohne in Klischees zu verfallen. Ja, dass er einem überhaupt eine wahrhaftige Definition von Liebe anbietet. Das ist ein Film, der vor Augen führt, dass man mitunter zu spät merkt, dass Jungsein in Altwerden übergeht. Und die Zukunft, in deren Planung man sich eingerichtet hat, trotz aller Vorsorge nicht sicher ist.

Ein Frauenfilm vielleicht, weil die Art, wie er vom Leben erzählt, weiblich anmutet. Ein Film für alle auch, weil alle etwas davon haben. Ganz sicher also: ein menschlicher Film.

(hols)
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