Filmfestival Berlinale kurbelt Film-Karrieren an

Düsseldorf · Am Donnerstag beginnt das größte deutsche Filmfestival. Doch die Berlinale ist nicht nur ein Wettbewerb der Filmkunst, sondern auch der erste internationale Filmmarkt des Jahres. Auf dem geht es um neue Geschäftsfelder - etwa Serien.

 So erfolgreich waren die Filme des letzjährigen Berlinale

So erfolgreich waren die Filme des letzjährigen Berlinale

Foto: Radowski

Was, wenn die Bombe 13 Minuten früher hochgegangen wäre? Georg Elser hätte sein Ziel erreicht. Hitler und fast die gesamte NS-Führungsspitze wären 1939 im Münchner Bürgerbräukeller gestorben. Doch Hitler brach früher auf als geplant, entkam dem Attentat. Elser wurde verhaftet und 1945 im KZ Dachau ermordet.

Davon erzählt "Elser", der neue Film von Oliver Hirschbiegel, der bei den Filmfestspielen in Berlin Premiere hat. Das Drama läuft im Wettbewerb - und ist bereits jetzt in 25 Länder verkauft. Nach der Berlinale dürften es 50 Länder sein, schätzt Christoph Ott vom Filmverleih NFP. "Die Berlinale ist als Handelsplatz so wichtig wie Cannes", sagt Ott. Mit mehr als 8000 Teilnehmern aus der internationalen Filmindustrie ist die Berlinale der erste große Filmmarkt des Jahres. Auf dem werden deutsche Produktionen ins Ausland verkauft, internationale Produzenten schließen sich zusammen, Regisseure stellen ihre Projekte vor.

Auf dem Coproduktions-Markt ist Markus Halberschmidt vor zwei Jahren fündig geworden. Der Produzent aus Düsseldorf lernte Kollegen aus Frankreich und Vietnam kennen. Sie beschlossen, gemeinsam das Drama "Unsere sonnigen Tage" von Phan Dang Di zu verwirklichen. Nächste Woche hat der Film nun Weltpremiere bei der Berlinale. läuft sogar im Wettbewerb. "Geld werden wir damit wohl nicht verdienen", sagt Halberschmidt, "aber der Film wird sicher eine gute Festivalkarriere erleben." Filmemachen ist für Halberschmidt Leidenschaft - die finanziert er sich auch durch andere Jobs in der Kommunikationsbranche. Dafür produziert er nur, was ihm wichtig ist, wie jetzt den ersten Berlinale-Teilnehmer aus Vietnam. "Auf dem deutschen Markt tun sich Werke aus dem asiatischen Raum schwer", sagt Halberschmidt, "aber das liegt nicht an der Ignoranz des Publikums, sondern daran, dass zu viele Filme um die begrenzten Plätze in den Kinos konkurrieren."

Auch auf der Berlinale geht es darum längst um Marktsegmente jenseits des Kinos. In diesem Jahr etwa verstärkt um die Serie. Fernseh-Mehrteiler wie die Zweiter-Weltkriegs-Reihe "Unsere Mütter, unsere Väter" sind auch im Ausland gefragt. Die deutsche Branche will dieses Spielfeld darum nicht mehr nur den Amerikanern überlassen. Die Skandinavier machen mit Serien im herben "Wallander"-Look vor, wie man auch mit geringeren Budgets erfolgreich sein kann. Deutschland will nachziehen, bei der Berlinale gibt es zahlreiche Veranstaltungen dazu.

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Die Lage des deutschen Films hat sich stabilisiert. Von den 563 Filmen, die 2013 in die Kinos kamen, waren 223 deutsche Produktionen, das entspricht in etwa dem Anteil der Vorjahre, und auch für 2014 werden solche Ergebnisse erwartet. Bei den Besucherzahlen entfällt etwa ein Viertel aller Zuschauer auf deutsche Filme. Dominiert wird der Markt weiterhin von den Amerikanern, die mit ihren Angeboten immer noch zwei Drittel aller Besucher ins Kino locken. Allerdings sind es oft einzelne Filme, die in der Statistik ihre Spuren hinterlassen. So dürfte etwa Til Schweigers Erfolg mit "Honig im Kopf", den bislang mehr als 4,6 Millionen Zuschauer sahen, die Zahlen für den deutschen Film auf gutem Niveau halten. Das kaschiert, dass daneben viele kleine Produktionen nur wenige Menschen erreichen.

Die Berlinale kann für solche Filme ein Sprungbrett sein. Valentin Thurn hat das erfahren. 2011 präsentierte er in Berlin seine Doku "Taste the Waste". "Damals war ich in der Kinobranche total unbekannt", sagt Thurn. Sein Film über die ungeheure Menge an Lebensmitteln, die in Europa täglich in den Müll wandern, lief in der Sektion kulinarisches Kino. "Wir haben große Organisationen wie ,Slow Food' oder ,Brot für die Welt' zur Vorführung eingeladen", sagt der Kölner Filmemacher. Den Start in der Hauptstadt nutzte er, um seine Doku mit einer Kampagne zu flankieren. Das wirkte. 130 000 Zuschauer sahen den Film am Ende - seither hat es Thurn mit neuen Projekten leichter. Im April startet sein aktueller Film "10 Milliarden - wie werden wir alle satt". "Ich kann Filmemachern nur empfehlen, Kontakt mit der Berlinale zu suchen", sagt Thurn. "Ich hätte mir das anfangs nie zugetraut, aber die Berlinale ist auf der Suche nach neuen Formaten und frischen Talenten, und eine Premiere dort kann der Beginn einer Karriere sein."

Gerade junge Filmemacher haben aber nicht mehr nur das klassische Kino im Kopf. Längst wird darum auch bei der Berlinale über neue Vertriebswege diskutiert. Philipp Hoffmann zum Beispiel hat mit seinem jungen Unternehmen Rushlake Media ein Konzept entwickelt, das digitale Nutzung von Filmen daheim und das gute alte Kino versöhnt. Geht es nach ihm, können Besucher demnächst im Kino zum Beispiel den neuen Woody Allen sehen - und kaufen dazu das Zugriffsrecht auf ein kleines Paket thematisch passender Filme, die das Kino ausgewählt hat. Diese Filme werden digital daheim auf den Fernseher geliefert. "Das Kino ist als sozialer Ort nicht ersetzbar", sagt Philipp Hoffmann, "darum geht es nicht um den Kampf Kino gegen Internet, sondern um kluge Lösungen, die Vorteile beider Medien zu nutzen." Hoffmann stellt sein Projekt bei der Berlinale vor. Einige Programmkinobetreiber haben ihr Interesse bereits angemeldet.

(RP)
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