"Er ist wieder da" Ein Krampf

Düsseldorf · David Wnendt hat den Bestseller "Er ist wieder da" verfilmt - als harmlose Satire: Hitler bereist Pegida-Deutschland, kommt bei Youtube groß raus, und an allem sind die Medien schuld. Oliver Masucci aber gelingt die Hitler-Parodie.

Es qualmt im Gebüsch über dem alten Mann, der da in der Führer-Uniform im Dreck liegt. Direkt aus der Hölle scheint Hitler in das Berlin von heute gespuckt worden zu sein. Derangiert stolpert er zum Brandenburger Tor und wird dort gleich als das wahrgenommen, was er nur noch sein kann: als Parodie. Touristen stellen sich neben ihn, knipsen Selfies, lachen - manche verlegen, manche nicht.

Er ist wieder da. Der Journalist Timur Vermes hat unter diesem Titel einen Roman geschrieben, in dem er die vermeintlich brisante Vorstellung durchspielt, was wäre, kehrte Adolf Hitler in die Gegenwart zurück. Eine Idee, die provokanter klingt, als der Autor sie umsetzt, doch das Buch verkaufte sich bestens. Nun wird Hitler noch etwas lebendiger: im Film.

Darin ist er ein knurriger, aber keineswegs gebrochener Schnauzträger, der seine neue Gegenwart ziemlich schnell durchschaut. Er kapiert also, dass er in die Medien muss, um weiter Rassismus predigen zu können. Und weil die Menschen inzwischen alle recht höflich und ein bisschen weichlich geworden sind, marschiert er einfach an ihnen vorbei in die Sendezentrale eines Privatsenders. Natürlich ist er bald Talkshow-Gast und Youtube-Star. Und natürlich gipfelt seine mediale Karriere in einem Auftritt beim süffisanten TV-Aufklärer Frank Plasberg.

Regisseur David Wnendt hat schon aus Charlotte Roches "Feuchtgebiete" einen überraschend eigenwilligen Film gemacht. In "Er ist wieder da" inszeniert er die Wiederkehr des Führers als Fake-Doku. Immer wieder lässt er seinen Hitler ungezähmt auf die Realität los. Da klagen ihm dann Imbissbuden-Besitzerinnen ihr Leid mit angeblich frechen Ausländerkunden. An Stammtischen ist man ihm dankbar, dass er ausspricht, was in der deutschen Seele gärt. Und beim Besuch in der NPD-Parteizentrale sind ihm die Rechten nicht markig genug. Alles ziemlich absehbar: Da soll der Pegida-Deutsche vorgeführt werden, dagegen macht Hitler eine gute Figur.

Besser sind die Szenen, in denen Hitler sich lächerlich macht, etwa, wenn er seine Uniform in einer türkischen Reinigung abgibt und schließlich im langen Unterhemd ziemlich armselig vor der Mitarbeiterin steht. Oder wenn er in der Bayreuther Fußgängerzone seine Dienste als Porträtmaler anbietet und den Leuten wunderbar dilettantische Karikaturen überreicht. Welche Reaktionen real sind, welche nur so wirken, bleibt genauso unklar, wie wenn Sacha Baron Cohen als "Borat" in die Wirklichkeit auszieht oder der Österreicher Ulrich Seidl seine Landsleute entlarvt.

Die Absicht hingegen ist klar: Hitler soll aus den Leuten herauskitzeln, was an Rassismus in ihnen ist. Das funktioniert immer, weil man so schön über die anderen lachen kann. Doch hat man diese Art von Überrumpelungs- und Suggestivkomik schon so oft gesehen, dass der Oho-Effekt nur schwach ist. Auch ist der Film so wenig ein Tabu-Bruch wie Vermes' Roman. Hitler wird nicht zur Witzfigur, er ist nur der, der das Negative in den anderen zu Tage fördert. Das Rückkehr-Experiment ist auch keine Verharmlosung, es sagt gar nichts über die Vergangenheit, es zielt aufs Heute. So hat der Film vor allem die Medien im Visier: Eine Chefredakteurin, die für die Quote jeden ins Programm hievt und von Katja Riemann wunderbar karrierefixiert gespielt wird. Und den gekränkten Stellvertreter, der Empörung heuchelt, die Gag-Schreiber aber zu rassistischen Witzen anstachelt. Solche Typen liegen Christoph Maria Herbst, und er lässt es sich nicht nehmen, in einer Wutrede auch noch die Hitlerdarstellung von Kollege Bruno Ganz aus "Der Untergang" zu parodieren. Da wird nicht Hitler, da werden all die Hitler-Darsteller zu Witzfiguren.

Trotzdem meint der Film an einer Stelle, sich politisch korrekt legitimieren zu müssen. Da trifft Hitler auf eine Dame, die an Alzheimer erkrankt ist, aber plötzlich aus dem Vergessen auftaucht und ihn als den wirklichen Volksverhetzer erkennt. Die Dame muss auch noch Jüdin sein und ihn mit gellendem Schrei aus der Wohnung jagen. Satire darf alles, nur nicht pädagogisch sein.

Dass der Film dennoch gut unterhält, liegt an den Schauspielern, allen voran Hauptdarsteller Oliver Masucci. Der übertreibt es nicht mit dem Hitlersein und wirkt gerade darum überzeugend. Er ist nicht der Kriegstreiber, der sich über Landkarten beugt und mit gepresster Stimme Anweisungen zetert. Er ist ein Menschenverächter, der andere zu instrumentalisieren versteht. Ein bisschen ruppig, aber wenn es ihn weiterbringt auch nett.

Und so ist sein Auftauchen in Berlin keine Nazi-Groteske zum Fremdschämen, sondern vor allem eine brave Medien-Satire mit der hübschen Pointe, dass Hitler im Deutschland der Gegenwart als vermeintlicher Satiriker menschenverachtende Dinge sagen darf. Das macht ihn zum Star. Als er aber einen Hund erschießt, ist das sein vorläufiges Ende. Demagogie im Zeitalter von Youtube folgt eben neuen Regeln.

(dok)
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