"Er ist wieder da" Hitler darf im Kino ruhig menschenverachtende Dinge sagen

Düsseldorf · Nun ist die böse Fantasie also lebendig geworden. Im Film. Mit Bärtchen, Seitenscheitel, Führer-Uniform ist er zurück, wie man ihn kannte. Adolf Hitler erwacht im Berlin der Gegenwart. Derangiert, desorientiert stolpert er zum Brandenburger Tor und wird dort gleich als das wahrgenommen, was er schließlich nur noch sein kann: als Parodie. Touristen stellen sich für Selfies neben ihn, lachen – manche verlegen, viele eher nicht.

Nun ist die böse Fantasie also lebendig geworden. Im Film. Mit Bärtchen, Seitenscheitel, Führer-Uniform ist er zurück, wie man ihn kannte. Adolf Hitler erwacht im Berlin der Gegenwart. Derangiert, desorientiert stolpert er zum Brandenburger Tor und wird dort gleich als das wahrgenommen, was er schließlich nur noch sein kann: als Parodie. Touristen stellen sich für Selfies neben ihn, lachen — manche verlegen, viele eher nicht.

Er ist wieder da. Der Journalist Timur Vermes hat in seinem Bestseller die vermeintlich brisante Vorstellung durchgespielt, was wäre, kehrte Adolf Hitler in die Gegenwart zurück. Eine Idee, die provokanter klingt als sie ist. Jedenfalls verkaufte sich das Buch bestens. Darin entwirft Vermes einen knurrigen, keineswegs gebrochenen Hitler, der sich ziemlich schnell in die neue Wirklichkeit einfindet. Er kapiert also, dass er in die Medien muss, um weiter Rassismus predigen zu können.

Und weil die Menschen der Gegenwart alle recht höflich und ein bisschen weichlich geworden sind, marschiert er einfach an ihnen vorbei in die Sendezentrale eines Privatsenders. Natürlich ist er bald Talkshow- und Youtube-Star. Und natürlich gipfelt seine mediale Karriere in einem Auftritt beim süffisanten TV-Aufklärer Frank Plasberg.

Regisseur David Wnendt, der schon aus Charlotte Roches "Feuchtgebiete" einen überraschend eigenwilligen Film gemacht hat, inszeniert die Wiederkehr des Führers als Fake-Doku. Immer wieder lässt er seinen Hitler ungezähmt auf die Realität los. Da klagen ihm dann Imbissbuden-Besitzerinnen ihr Leid mit angeblich frechen Ausländerkunden. An Stammtischen ist man ihm dankbar, dass er ausspricht, was in der deutschen Seele gärt. Das ist alles ziemlich absehbar: Da soll der "Pegida"-Deutsche vorgeführt werden, dagegen macht Hitler eine gute Figur.

Besser sind die Szenen, in denen Hitler wirklich spielt, etwa, wenn er seine Uniform in einer türkischen Reinigung abgibt und schließlich im langen Unterhemd ziemlich armselig vor der Mitarbeiterin mit Kopftuch steht. Oder wenn er sich in Bayreuth in die Fußgängerzone setzt, seine Dienste als Porträtmaler anbietet und den Leuten wunderbar dilettantische Karikaturen überreicht. Welche Reaktionen real sind, welche nur so wirken sollen, bleibt genauso unklar wie wenn Sacha Baron Cohen als "Borat" in die Wirklichkeit zieht oder der Österreicher Ulrich Seidl seine Landsleute entlarvt. Die Absicht hingegen ist klar: Hitler soll aus den Leuten herauskitzeln, was an Rassismus in ihnen ist. Das funktioniert immer, weil man so schön über die anderen lachen kann. Doch hat man diese Art von Überrumpelungs- und Suggestivkomik nun schon so oft gesehen, dass der Oho-Effekt nur noch schwach ist.

Auch ist der Film genauso wenig ein Tabu-Bruch wie Vermes' Roman. Hitler wird nicht zur Witzfigur, er ist nur der, der das Böse in den anderen zu Tage fördert. Das Rückkehr-Experiment verharmlost auch nichts, denn es sagt gar nichts über die Vergangenheit, es zielt aufs Heute. Trotzdem meint der Film an einer Stelle, sich politisch korrekt legitimieren zu müssen. Da trifft Hitler auf eine Dame, die an Alzheimer erkrankt ist, aber plötzlich aus dem Vergessen auftaucht und ihn als den wirklichen Volksverhetzer erkennt. Die Dame muss auch noch Jüdin sein und ihn mit gellendem Schrei aus der Wohnung befördern. Pädagogik aber ist der Tod von Satire.

Dass David Wnendt wenn schon keine bissige, so doch wenigstens eine unterhaltsame Komödie gelungen ist, liegt vor allem an seinem Hauptdarsteller: Oliver Masucci. Der übertreibt es nicht mit dem Hitlersein und wirkt gerade darum überzeugend. Er ist nicht der Kriegstreiber, der sich über Landkarten beugt und mit gepresster Stimme Anweisungen zetert. Er ist auch kein wirrer Tyrann aus dem Führerbunker, sondern ein Menschenverachter, der andere zu instrumentalisieren versteht. Ein bisschen ruppig, aber wenn es ihn weiterbringt, auch nett.

Und so ist sein Auftauchen in Berlin keine Groteske zum Fremdschämen, sondern vor allem eine Medien-Satire mit der hübschen Pointe, dass Hitler im Deutschland der Gegenwart als vermeintlicher Satiriker ruhig menschenverachtende Dinge sagen darf. Das macht ihn zum Star. Als er aber einen Hund erschießt, ist das sein vorläufiges Ende als Demagoge im Youtube-Zeitalter. Das verzeihen die Follower ihm nicht.

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