Film-Kritik Aus der Tiefe des Raumes: Skurriles Märchen

Ausgerechnet eine charmante Fotografin hat es dem biederen Tipp-Kick-Fan in Gil Mehmerts Debütfilm "Aus der Tiefe des Raumes" angetan. In der skurrilen Geschichte des Theaterregisseurs wird dieser dann auch noch unfreiwillig "Vater" eines lebendig gewordenen Metallmännchens. Der Clou: Die mutierte Nummer 10 sieht dem Fußballidol Günter Netzer sehr ähnlich.

Aus der Tiefe des Raumes
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Foto: (alle) TimeBandits

Die Story der augenzwinkernden Provinzkomödie ist zwar etwas behäbig inszeniert, aber so aberwitzig, dass es schon wieder kultverdächtig ist. In einer rheinischen Kleinstadt frönt der schüchterne Hans Günter (Arndt Schwering-Sohnrey) in den 60er Jahren einem ungewöhnlichen Hobby: Der junge Mann spielt Tipp Kick, ein Tischfußballspiel mit kleinen Metallmännchen. Und das so gut, dass er sich bei einem Turnier für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert. Bei dem Turnier lernt er auch die gleichaltrige Fotografin Marion (Mira Bartuschek) kennen. Wunderbarerweise endet die zarte Romanze alsbald in ihrem Schlafzimmer.

Durch eine Verkettung von Zufällen landet Hans Günters Lieblings-Männchen, die Nummer 10, in Marions Badewanne, in der sich einige Fotochemikalien zu einer Art Ursuppe verbunden haben. Durch Blitzeinschlag und Kurzschluss mutiert Nummer 10 zu einem erwachsenen Athleten (Eckhard Preuß), der Hans Günter als seinen Vater betrachtet und mit Schuhgröße 47 gesegnet ist. Wie durch ein Wunder ist ein deutscher Fußballstar geboren. Man könnte fast meinen, es sei Günter Netzer.

"Schlicht und ergreifend" heißt die junge Münchner Produktionsfirma von Philipp Budweg und Johannes Schmid, die sich getraut hat, den schlicht und ergreifend genialen Grundeinfall von Theaterregisseur Mehmert auf die Leinwand zu bringen. Mit der skurril-schrägen Fantasie über die mögliche Herkunft des Kicker-Idols mit blonder Mähne und Rebellen-Aura setzt das Trio dem heutigen TV-Fachkommentator ein augenzwinkerndes Filmdenkmal, das neben vielen pfiffigen Einfällen auch tragische Momente einschließt.

Richtiger Temposchub fehlt

Die Inszenierung, die wie der als wenig lauffreudig geltende Fußballer Netzer einen Temposchub vertragen könnte, besticht durch das genau getroffene Zeitkolorit des westdeutschen 60er-Jahre-Provinzmiefs, die sorgfältige Ausstattung und die stringente Führung der Schauspieler. Mag die Rahmenhandlung auch bemüht wirken, der Dialogwitz zu steif sein und es den Figuren an Tiefe mangeln, so serviert Mehmert dem fußballbegeisterten Kinopublikum doch allemal mehr als das freche Gegenstück zum WM-Drama "Das Wunder von Bern".

Da dem Budget enge Grenzen gesetzt waren, verfiel Musiksupervisor Beckmann auf die schlicht und ergreifend geniale Idee, statt unbezahlbarer Oldies aus den 60er Jahren kurzerhand ein rundes Dutzend "gefakter Hits von 1965" komponieren zu lassen. Im clever nachgeahmten Stil damaliger Musikgrößen schrieben Alex Haas und Stefan Noelle für fiktive Combos wie die Dukes eingängige Stücke, die als Hitparadenknüller durchgehen.

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