"Back In The Game" kommt ins Kino Clint Eastwoods letzter großer Film

Düsseldorf · Clint Eastwood macht's noch einmal: Für das Baseball-Drama "Back In The Game" kehrt der 82-jährige Schauspieler auf die Leinwand zurück. Und plötzlich erscheint sein bizarrer Auftritt im US-Wahlkampf in einem anderen Licht.

"Back In The Game" kommt ins Kino
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Das Schönste an Filmen mit Clint Eastwood ist das Knurren. Eastwood beißt die Zähne zusammen, bläht die Nüstern, schürzt die Oberlippe und presst dieses Geräusch heraus, das Drohgebärde und Unmutsbekundung ist, akustischer Ausdruck des Weltekels. Wenn Eastwood knurrt, ist er am besten. In "Back In The Game" tut er es reichlich, etwa in der Szene, als ein Hinterwäldler seine Tochter bedrängt. Amy Adams spielt diese patente Frau, sie ist auf eine Partie Billard in die Lieblingskneipe des Vaters gekommen. Der bräsige Mitspieler will ihr an die Wäsche, und schon ist Eastwood zur Stelle, schlägt einer Bierflasche an der Wand den Boden ab und hält den scharfen Rest ans Gesicht des Zudringlichen. Zähne, Nüstern. Dann knurrt er, dass es eine Freude ist.

Eigentlich wollte Eastwood nicht mehr vor die Kamera. In der Produktion "Gran Torino" — Eastwoods großartigster Knurrfilm überhaupt — inszenierte er 2008 spektakulär seinen Abschied von der Schauspielerei. Er war fortan nur mehr Regisseur, drehte die Filme "Invictus", "Hereafter" und "J. Edgar", von denen indes keiner an die früheren Meisterwerke "Erbarmungslos" und "Million Dollar Baby" heranreicht. Dass Eastwood nun seinen Vorsatz bricht und wieder auftritt, hängt mit seinem Kumpel Robert Lorenz zusammen. Der arbeitete bei ihm als Assistent und Produzent, und für die Hauptrolle seines Regiedebüts wollte er Eastwood. Der 82-Jährige sagte zu, schließlich gehörte auch Lieblingskameramann Tom Stern zum Team. Die Gang war wieder zusammen.

Weisheit geht vor Geschmeidigkeit

So hat denn "Back In The Game" die typischen Zutaten, die man etwa aus "Million Dollar Baby" kennt. Es gibt den alten Mann, den die jüngeren zum alten Eisen geben wollen. Aber er wehrt sich und beweist, dass Weisheit wichtiger ist als Geschmeidigkeit. Und er nimmt sich eines Zöglings an, der ihn unterstützt. Der Zuschauer ahnt nach wenigen Minuten, dass dieser Film so funktioniert, aber es macht nichts, es ist sogar gut, nun kann man sich zurücklehnen und genießen.

Eastwood spielt den Baseball-Scout Gus Lobel. Er sucht Hochbegabte, und er sitzt in Georgia, mitten in Mitt-Romney-Land. Tatsächlich bekommt man eine genaue Vorstellung von Lobels Charakter, wenn man sich noch einmal Eastwoods Wahlkampfauftritt für Romney vom August ansieht, jene viel belächelte Zwiesprache mit einem leeren Stuhl. Vielleicht steckte Eastwood damals noch in seiner Rolle, womöglich tickt er sogar genauso wie die kantigen Typen, die er immer spielt. Jedenfalls sorgt sich auch Gus Lobel in "Back In The Game" um Amerika, und auch er findet: Als die Lackaffen mit den Laptops noch nicht da waren, ging es allen besser. Lobel gilt bei seinem Verein Atlanta Braves, der von Hightech-Funktionären in aseptischen Kontrollräumen regiert wird, als Auslaufmodell.

Das Gegenteil von "Moneyball"

Er sieht schlecht, trinkt zu viel und arbeitet mit Block und Bleistift. Dass er von einer Verpflichtung des gewaltigsten Talents der Nachwuchs-Liga abrät, mögen sie nicht nachvollziehen. Doch Lobel bleibt stur: Der kann keine angeschnittenen Bälle fangen! Unterstützung bekommt er lediglich von seiner Tochter Mickey. Die ehrgeizige Anwältin ist der Typus Frau, den sich jeder Mann wünscht: Kumpeltyp, witzig, in den entscheidenden Momenten schüchtern, dann wieder kokett, und die Baseball-Ergebnisse der letzten Jahrzehnte hat sie auch im Kopf. Mickey kümmert sich also um Daddy, sie treten in den Ballparks auf wie Eastwood und Hilary Swank einst in "Million Dollar Baby" am Boxring, und zusammen sind sie unschlagbar.

"Back In The Game" ist das Gegenteil von "Moneyball", dem großen Baseball-Film mit Brad Pitt von 2011. Dort musste ein Junger die Alten von den Vorzügen der computerbasierten Erfolgskalkulation überzeugen. Hier passiert das Gegenteil: Das Sentiment siegt über den Fortschritt. Die Kamera zeigt die Schönheit des ländlichen Amerikas, Eastwood fährt im verbeulten Ford Mustang vorüber. Schließlich begreift man: Mit seiner staubtrockenen Art und dem Knurren tarnt er die Wehmut und die Sehnsucht, die seine Figur antreiben. Gus Lobel vermisst seine verstorbene Frau — ohne sie ist alles nichts. Am Ende hält die Kamera noch einmal auf sein Gesicht. Es zuckt kurz, aber man hört nichts. Alles verschwindet, nichts geht verloren.

(RP/das/csi)
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