Kino-Kritik Death Proof: In Tarantinos Zitate-Kosmos

Mit "Death proof – Todsicher" wollte Regisseur Quentin Tarantino dem US-Billigkino der 60er Jahre ein Denkmal setzen. Entstanden ist ein wahnsinniger Auto-Actionfilm – diesmal ein wenig zu kunstvoll montiert.

 Kurt Russell als Stuntman Mike in Tarantinos "Death Proof".

Kurt Russell als Stuntman Mike in Tarantinos "Death Proof".

Foto: SENATOR

Mit "Death proof — Todsicher" wollte Regisseur Quentin Tarantino dem US-Billigkino der 60er Jahre ein Denkmal setzen. Entstanden ist ein wahnsinniger Auto-Actionfilm — diesmal ein wenig zu kunstvoll montiert.

Dieser Mann ist nicht wie andere. Stuntman Mike, wie der gleichermaßen verwegene und verwahrloste Klotz mit der wüsten Narbe im Gesicht sich nennt, wirkt noch in der rauesten Kneipe wie ein Kerl, der von draußen aus einer unvorstellbar harten Asphaltwildnis kommt und sich nun ein wenig langweilt.

Wobei wir die Pinte, in der Stuntman Mike in Quentin Tarantinos "Death Proof — Todsicher" alkoholfreie Drinks süffelt, nicht mit dem Finger auf der Landkarte suchen sollten. Wir befinden uns wieder einmal im Kopf von Tarantino, in einer Popkulturgeisterbahn, in der die großen Debatten und die billigen Vergnügungen der letzten Jahrzehnte sich zu seltsamen Monstern verbinden. Hier mischen sich die Zeiten, es gibt Handys, aber die CD scheint noch nicht erfunden, und 60er-Jahre-Aussteigerstolz vermengt sich mit modernem Auch-Rebellion-ist-Pose-Zynismus.

Stuntman Mike (Kurt Russell) dominiert wie ein überständiger Saurier des Machozeitalters die Theke, und in seinem Rücken machen sich ein paar laute, taffe Mädels (etwa Sydney Tamiia Poitier) daran, dem Abend den größtmöglichen Spaß aus den Rippen zu schütteln. Die Fragen, die den Film vorantreiben sollen, lauten: Ist Mike ein cooler Rebell oder ein gemeingefährlicher Psychopath, sind die Frauen hart genug, die Probe zu überleben?

Dies ist auch ein Film über den Wechsel der Rollenbilder, aber keiner, der Motive des Rabatzkinos nur zur Tarnung benutzt. Die Liebe zu klobigen Autos, röhrenden Motoren, illegalen Wettrennen ist ein Wert an sich im Tarantino-Kosmos.

In "Death Proof" huldigt der Regisseur von "Pulp Fiction" und "Kill Bill" auch den amerikanischen Vollgasfieber-Filmen der 60er und 70er Jahre. Zusammen mit seinem Kumpel Roberto Rodriguez wollte er das ganze von Filmkunstpriestern und Empfindsamkeitsakrobaten verachtete Sex-, Schock- und Gewaltkino vom unteren Ende der Budgetskala wieder zu Ehren kommen lassen, das oft im Doppelpack in heruntergekommenen Kinos flimmerte, die in USA grindhouses hießen. Und so haben die beiden zwei Filme gedreht, die als Doppelprogramm unter dem Titel "Grindhouse" starten sollten, komplett mit sorgfältig imitierten Schäden am Filmmaterial.

Doch dieses Wagnis scheut der Verleih: bei uns kommen "Death Proof" und Rodriguez' "Planet Terror" einzeln ins Kino, dafür in verlängerten Fassungen. Stuntman Mike, so viel sei verraten, wird sich als Serienkiller entpuppen, sein bulliger Dodge als rollende Foltermaschine. Nachdem der Sadist sich seine Opfer geholt hat, zeigt der Film ihn bei einer neuen Jagd nach altem Muster, als seien die Morde ritualisierte Kulthandlungen oder die Fertigungsschritte eines industriellen Prozesses.

Doch Tarantino, der damit auch auf das Austauschbare von Billigfilmhandlungen hinweist, bricht die Berechenbarkeit auf. Stuntman Mike gerät beim zweiten Mal an Frauen, die sich energisch wehren. Tarantino schwelgt also einerseits in Zitaten etwa von Russ Meyers "Faster, Pussycat! Kill! Kill!" (1965) Richard Sarafians "Vanishing Point" (1971) und H.B. Salicki "Gone in 60 Seconds" (1975). Andererseits will er die alten Filme auf den Kopf stellen und die Machtverhältnisse neu ordnen: Frauen sind in der Welt von Tarantino den Männern ebenbürtig. Das Vorhaben, geistig über das kultige Billigkino von einst hinauszuwachsen, sorgt aber für ernsthafte Probleme.

Tarantino will uns fast zwanghaft einen Tarantinofilm liefern, also all die schrägen Dialoge und verschrobenen Alltagsphilosophierereien unterbringen, für die er zu Recht gerühmt wird. Die aber halten einen Film, der sich Tempo und Raserei ausliefern müsste, beständig auf. Man sieht förmlich Neonhinweispfeile vorm dritten Auge und hört Ermahnungsdurchsagen im Innenohr: "Obacht, der Meister spricht durch seine Figuren! Achtung, ein Kultdialog beginnt!"

Die schaukastenartigen Szenen stören nicht einfach den Fluss des Films. Sie stoßen uns mit der Nase darauf, dass das vermeintliche Triebkino aus dem Bauch heraus in Wirklichkeit hochartifizielles Bastelkino aus dem Kopf ist. Dann drängt sich auch jenen, die mit den zitierten Originalen etwas anfangen können, die Frage auf, ob so viel Köpfchen nicht doch etwas anderes als eine Liebeserklärung an den Grindhouse-Schmuddel hervorbringen sollte.

(RP)
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