Kinokritik "Denk ich an Deutschland in der Nacht" Im Königreich des Bass

Düsseldorf · Die Doku "Denk ich an Deutschland in der Nacht" porträtiert Techno-DJs.

 DJ Ricardo Villalobos in seinem Studio.

DJ Ricardo Villalobos in seinem Studio.

Foto: Arden Film GmbH 2017

Der Filmemacher Romuald Karmakar hat schon mehrfach die Nacht porträtiert, seine Dokumentation "196 BPM" aus dem Jahr 2002 zeigte DJ Hell im Berliner Club WMF, und in "Villalobos" (2009) kam er dem DJ und Produzenten Ricardo Villalobos sehr nahe. In jenem Film gab es die schöne Szene, in der Villalobos Tausenden Menschen zusah, die zu seiner Musik tanzten. Er saß am Mischpult und rauchte, dann sagte er, man solle mal sehen, was passiere, wenn er Bass dazugebe. Er ließ ein bisschen Zeit verstreichen und gab schließlich wirklich Bass dazu, und da drehten die Menschen förmlich durch und schrien. Hände zum Himmel, große Euphorie.

Villalobos taucht auch im neuen Karmakar-Film auf: "Denk ich an Deutschland in der Nacht". Der 46-Jährige gehört zu den viel gebuchten Techno-Produzenten, mit deren Hilfe der Regisseur erforscht, wie diejenigen ticken, die den Soundtrack des Wochenendes komponieren. Auch Move D, Roman Flügel und Sonja Moonear sind dabei.

Man trifft Villalobos in dessen herrlich verrumpeltem Klang-Labor beim Abhören obskurer Folklore-LPs aus dem Orient. Sonja Moonear hingegen arbeitet lieber in ultra-cleaner Umgebung, in einer Art Kling-Klang-Studio für Nachgeborene. Und Move D steht in seiner Heimat Heidelberg auf einer Wiese und philosophiert so verpeilt und tiefenentspannt über die Schönheit des Gräserrauschens, dass es den Anschein hat, als meinte er eigentlich in erster Linie die Schönheit des Gräserrauchens.

Kameramann Frank Griebe, der auch für Tom Tykwer arbeitet, dokumentiert die Atmosphäre in den Clubs. Er gestaltet dynamische Wimmelbilder des High-Life, in denen sogar der Hintergrund aufregend ist: die Choreographie des Zuprostens und Rumguckens, Flirtens und Schäkerns, des Ancheckens und Abklatschens. Das Königreich des Bass.

Karmakar setzt dem Zuschauer sozusagen Kopfhörer auf, man hört nämlich, was der DJ hört, das Vorspulen und Zurückdrehen, das gibt dem Film bisweilen etwas Sureales. Am Ende ahnt man, wie groß der Moment sein muss, wenn die Wellen der Ekstase zurückbranden an die DJ-Kabine. Aber eben auch, wie kräftezehrend das Leben für die Nacht sein muss. Und wie einsam man in der Menge sein kann.

Denk ich an Deutschland in der Nacht, Deutschland 2017 - Regie: Romuald Karmakar, 107 Min.

(hols)
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