Disneys neuer Trickfilm "Oben" Der alte Mann und die Ballons

Düsseldorf (RP). Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Rentner Carl, der von Amts wegen in ein Altersheim verfrachtet werden soll, sieht als einzigen Ausweg die Flucht nach oben. Der alte Tüftler versieht sein Häuschen mit Hunderten gasgefüllter Ballons und macht die Leinen los.

Darum geht es in "Oben"
21 Bilder

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Der neue Trickfilm "Oben" von Disney/Pixar erzählt die Geschichte eines alten Mannes, der sich sein Häuschen nicht wegnehmen lassen will, sondern es lieber an zahllose Luftballons bindet und davon fliegt. Ein luftiges Abenteuer, das beweist: Zeichentrick ist auch für ernste Themen gut.

Bisher waren Trickfilme für Abenteuer gut und für rührend-turbulente Tierkomödien. Ernsten Hintersinn, all die Botschaften zu Freundschaft, Zivilcourage, Durchhaltewillen schrieben die Macher geschickt hinein in ihre Geschichten von eiswandernden Urviechern und kochenden Ratten.

Schwuppdiwupp sind sie alt

Nun kommt ein Trickfilm in die Kinos, der ein gewichtiges Thema nicht bunt verpackt, sondern ganz direkt in Szene setzt — das Thema Alter. Und das funktioniert bestens in den ersten Szenen des neuen Disney-Pixar-Werks "Oben".

Denn da spult der Film durch das Leben eines Jungen, der ein bisschen einsam ist, ein bisschen eigenbrötlerisch und verträumt. Doch dann lernt er ein Mädchen aus der Nachbarschaft kennen, das genau das Gegenteil ist: wild, laut, mutig. Und dieses Mädchen entscheidet sich mit rührender Entschlossenheit ausgerechnet für den schüchternen Jungen, der an ihrem Haus vorbeistolpert.

Die beiden werden ein Kinderfreunde-, dann ein Liebespaar, dann zu ihrem Kummer kein Elternpaar, und schwuppdiwupp sind sie alt, die Glieder werden steifer, die Haut runzliger, die Ausflüge anstrengender — und eines Tages ist der einsame Junge von einst wieder alleine.

An Luftballons davonfliegen

"Oben" erzählt das alles im Schnelldurchlauf, doch mindert das nicht die Anteilnahme. Im Gegenteil: Das Typische der Geschichte tritt hervor, das Allgemeingültige, das den Zuschauer berührt, weil er sich wiederfinden kann in vielen genau beobachteten Details.

Mit bestechendem Blick für die Zeichen des Altwerdens in Bewegungen, Mimik, auch Emotionen von Menschen zeichnen die Pixar-Animateure diesen Lebensweg nach und führen damit vor, welches Potenzial der Trickfilm besitzt, ernsthafte, realistische Geschichten auf seine ganz eigene Art zu erzählen.

Doch so kunstvoll und rührend dieser Einstieg auch ist, der Film kann dieses Niveau nicht halten. Zuerst überrascht er noch durch eine poetische Idee: Der Mann, der vor den Augen der Zuschauer altert und Witwer wird, soll von Bauspekulanten aus seinem Haus vertrieben werden.

Um ihnen und dem Heim zu entrinnen, befüllt er unzählige Luftballons mit Gas, knüpft sie an sein Häuschen und fliegt einfach davon. Das hat eine Leichtigkeit, die in eine träumerische Geschichte hätte entführen können.

Stattdessen tauchen in "Oben" nun allerhand Nebenfiguren auf, die weder niedlich sind noch sympathisch und das Interesse an der Geschichte schnell abkühlen lassen. Ganz nett noch der kleine dicke Pfadfinder, den der fliegende Greis versehentlich mit auf die Reise nimmt. Er ist eine Ausgeburt an Quengelei, ein verwöhntes Kind, das mangelndes Geliebtsein durch permanentes Einfordern von Aufmerksamkeit auszugleichen versucht. Kennt man. Erträgt man aber nicht lange.

Die Zeit ist reif für Trickfilme ohne sprechende Hunde

Dann will der Film auch noch ein richtiges Abenteuer werden. Gute und böse Hunde jagen ins Bild. Sie tragen seltsame Kästchen um den Hals, die ihnen das Sprechen mit menschlicher Stimme ermöglichen. Als hätte der Zeichentrick solch fantasielosen Umständlichkeiten nötig.

Die Hunde sind jedenfalls bis auf wenige Ausnahmen zähnefletschende Bestien, die man sich nicht ins echte Leben wünscht. Und ein knallbunter Kitschvogel, der auch noch ins Drehbuch flattert, ist ebenfalls nicht angetan, das Mitgefühl der Zuschauer zu wecken. So ein fedriges Schnabeltier hat nun mal so gar nichts Kuscheliges.

So bangt der Zuschauer zwar noch mit dem Alten, der mit seinem Luftballon-Hausflugschiff so manches luftige Abenteuer bestehen muss. Auch gibt sein erzwungenes Flug-Nomadentum durchaus zu denken. Ist es doch ein Bild dafür, dass alte Menschen in westlichen Gesellschaften oft genug Vertriebene sind, die ihre letzten Tage nicht in vertrauter Umgebung zubringen dürfen.

Doch ein pralles Abenteuer mit ausreichend Komik- und Rührelementen ist "Oben" nicht. An der Kasse wird sich der Film vermutlich schwertun. Doch mit seinen ersten Szenen weist er in eine neue Richtung für den Zeichentrick: Mit dem heutigen technischen Niveau stehen ihm alle Genres offen. Die Zeit ist reif für Trickfilm-Dramen ohne sprechende Hunde.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

(RP)
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