"Der Marsianer" Allein auf dem Mars

Düsseldorf · In "Der Marsianer" erzählt Ridley Scott von einem Astronauten, der einsam auf dem Mars zurückbleibt - und macht aus dem Drama einen überraschend heiteren Familienfilm. Balsam für die Pionierseele der Amerikaner.

Ein Sturm. Umherfliegende Brocken. Astronaut Mark Watney wird am Kopf getroffen, sinkt wie tot in den roten Sand des Mars - und seiner Crew bleiben Sekunden, um sich ins All zu retten. Watney bleibt zurück. Mutterseelenallein. Auf einem wüsten Planeten ohne Luft zum Atmen, die nächsten Menschen Millionen Kilometer entfernt. Fast wünscht man ihm, dass er nicht mehr aufwacht.

"Der Marsianer" spielt mit einer Urangst des Menschen: verlassen zu werden, übrig zu bleiben, ganz alleine zu sein. Schließlich ist der Mensch ein soziales Wesen, im Rudel hat er es weit gebracht. Einsam ums Überleben zu kämpfen, ist also existenzieller Horror.

Genau dieser Lage ist Mark Watney ausgesetzt. Doch Ridley Scott inszeniert nun kein Überlebensdrama, kein Mergel-Martyrium am Rande des Wahnsinns, sondern einen fast heiteren Film über die Erfindungsgabe des Menschen und die Macht des Miteinanders. Das Drama des einsamsten Menschen im Universum wird im Team bewältigt. Und es sind selbstlose Entscheidungen, die den Marsianer der Erde näherbringen.

Science-Fiction-Filme kreisen stets auch um die Frage: Was ist der Mensch? Und was ist Menschlichkeit, wenn einer in völlig fremde Lebensbedingungen geworfen ist? Watney kümmert sich zuerst um zwei Dinge: Nahrung und Kommunikation. Seine eigenen Exkremente nutzt der Botaniker, um in Marserde Kartoffeln zu züchten. Und aus Ausrüstungsteilen baut er eine Anlage, um mit Hilfe einer simplen Schrift wieder Nachrichten zur Erde zu senden. Rührend, wie das Analoge über Hightech siegt, wie da ein Mann durch gutes, altes Nachdenken eine ausweglose Lage meistert. Der Mensch muss fressen, darin ist er ganz Körper, aber er muss sich auch mitteilen, muss in Kontakt treten, das unterscheidet ihn vom Tier. Watney wird Dank seines Tüftlergeistes schon bald wieder Teil der Nasa, jener zivilen Raumfahrt-Behörde der Amerikaner, die ihn in bemannter Mission auf den entlegenen Planeten entsandte. Der verlassene Pionier auf dem Mars und die Superspezialisten auf der Erde versuchen, die Rettung gemeinsam zu wuppen. Wer, wenn nicht sie?

Ridley Scott ist der Meister des modernen Science-Fiction-Films. Mit Werken wie "Alien", "Blade Runner" oder "Prometheus" hat er düstere Zukunftsgeschichten mit dem Action-Genre verschmolzen und eine ganz eigene Ästhetik geschaffen: beklemmend, auf melancholische Weise fasziniert von den Möglichkeiten der Zukunft. "Der Marsianer" ist ganz anders gestimmt: optimistisch, humorvoll, konstruktiv - als habe sich Ridley Scott positives Denken verordnet.

Das hat mit Hauptdarsteller Matt Damon zu tun, diesem Pragmatiker unter den Hollywood-Stars, der die Rolle des netten Kerls in Bedrängnis perfektioniert hat. Auch als "Marsianer" holt er nicht zum großen Leidens-Solo aus, sondern wirkt wie einer von nebenan, den es in die rote Wüste verschlagen hat. Mark Watney ist nicht zum Helden geboren, er ist nur leidenschaftlicher Astronaut und Botaniker, und als seine Rettung nach einem herben Rückschlag fast aussichtslos scheint, bittet er die Kollegen am Boden, seiner Familie etwas auszurichten: Dass er nichts bereut, dass er noch immer begeistert ist von der Raumfahrt und bis zuletzt gekämpft hat. Das ist das Heldentum, das Ridley Scott feiert: Leidenschaft für die Sache und mutiger Erfindergeist. Da bekommt der alte amerikanische Traum vom Pioniersein im All neue Nahrung. Matt Damon ist ein sportlicher Eroberer, kein martialischer. Aber ein Amerikaner ist der erste, der auf dem Mars Kartoffeln pflanzt.

Es ist schon erstaunlich, wie arglos Ridley Scott die Geschichte einer Landnahme erzählt. Immer wenn es brenzlig wird, gibt es bald Erlösung. Weil kluge Menschen tüfteln. Und Krisen vorbildlich transparent behandelt werden. Schöne, neue Welt.

Doch obwohl das reichlich naiv anmutet, sieht man das Abenteuer gern. Das hat mit der wissenschaftlichen Genauigkeit zu tun, der Redlichkeit, mit der da ein Szenario durchgespielt wird. Darum ging es schon Andy Weir, dem Autoren des "Marsianer"-Romans, der eigentlich Informatiker ist. Kapitelweise hat er seine Geschichte zunächst im Internet veröffentlicht, hat das Wissen seiner Leser genutzt, um die technischen Details möglichst genau auszumalen. Bis auf den Sandsturm am Anfang, den es auf dem Mars aufgrund der dünnen Atmosphäre nicht geben könnte, ist fast alles denkbar. Das spürt auch der Zuschauer - und verfolgt gespannt, wie ein Gestrandeter auf dem Mars seiner Lage entkommen könnte.

Ridley Scott hat einen Film voller Hoffnung gedreht. Man mag es kaum glauben. Es ist ihm Ernst.

(dok)
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