Dramödie "Young Adult" mit Charlize Theron Die Highschool-Queen kehrt heim

In "Young Adult" spielt Charlize Theron eine Schriftstellerin, die in ihre Heimatstadt fährt, um den Freund aus Highschool-Tagen zurückzuerobern. Der ist inzwischen verheiratet und Vater eines Kindes. Zu erleben ist eine bittere Komödie über die Generation der 30- bis 40-Jährigen.

Die Filme von Jason Reitman erzählen von der Gegenwart, und sie tragen dazu bei, dass wir unsere Zeit besser verstehen. Deshalb erwartet man jede neue Produktion des 37-jährigen Regisseurs mit einiger Vorfreude. Nun kommt "Young Adult" ins Kino, und wer zwischen 30 und 40 Jahre alt ist, wird sich in der Hauptfigur dieser Geschichte wiederfinden, wenn auch nur ein bisschen: Mavis Gary fährt aus der großen, fremden Stadt, in der sie seit ein paar Jahren wohnt, zurück nach Hause. Sie will sich fühlen wie früher, als sie das schönste Mädchen auf der Highschool war, die "Promqueen" von Mercury/Minnesota.

Bitterböse Abrechnung mit einer Generation

Was bei den meisten anderen Filmemachern ein wehmütiges Werk geworden wäre, ist bei Reitman durch und durch böse. Die Erinnerung an die Highschool wirkt hier nicht nostalgisch, sondern schmerzensreich — es gab nur Erfolg oder Versagen. Die Rolle der Mavis Gary wird von Charlize Theron gespielt, und die Oscar-Preisträgerin macht aus der 37-jährigen Autorin von Romanheften für junge Erwachsene eine auf faszinierende Art abscheuliche Gestalt. Sie trägt UGG-Boots, pinke Sportkleidung und fährt Mini Cooper, sie lebt nach einer Scheidung mit ihrem Schoßhund in einem Apartment im Hochhaus. Sie säuft und legt sich wahllos zu Männern ins Bett, und am Morgen danach schüttet sie Cola in sich hinein. Dass die Buchreihe wegen Erfolglosigkeit ausläuft, versucht sie zu ignorieren, auf die Nachrichten ihres Verlegers reagiert sie nicht. Sie interessiert sich mehr für die Rundmail ihres ehemaligen Highschool-Freundes Buddy, der gerade Vater geworden ist und das Bild seines Babys "an alle" versendet.

"Young Adult" ist ein Wagnis, der Film fordert das Publikum heraus, schlägt es vor den Kopf und weigert sich, auf seine Erwartungen einzugehen. Mavis Gary fährt los, und man kann gut nachvollziehen, wie sie sich die lange Autofahrt versüßt: mit den Hits von damals, Teenage Fanclub und 4 Non Blondes — die Kassette nahm einst Buddy für sie auf. Sie will ihn zurückhaben, ihn erlösen aus dem falschen Leben. Ein ehemaliger Mitschüler, der von Klassenkameraden fast totgeprügelt wurde, weil alle dachten, er sei schwul, sagt zwar, dass Buddy nun ein Leben habe. Aber sie antwortet bloß: "Nein, er hat ein Baby. Und Babys sind langweilig."

Wieder hat Diablo Cody das Drehbuch geschrieben, sie arbeitete mit Jason Reitman bereits vor sieben Jahren zusammen, als die beiden "Juno" ins Kino brachten. Für "Juno" gewann Cody einen Oscar. Der Film erzählt von einer 16-Jährigen, die schwanger ist , und das Tragische darin wirkt leicht, weil die Dialoge so temporeich und pointiert sind. "Young Adult" legt nun weniger Wert auf das, was die Figuren sagen. Es geht vielmehr darum, für was sie stehen, um das Zusammenspiel, es geht um Realität. Dieser Film wirkt viel härter als "Juno". Mavis Gary quartiert sich daheim in einem Hotel ein, sie ruft ihre nach wie vor im Ort lebenden Eltern zunächst nicht einmal an, und abends sitzt sie am Tresen, bestellt Schnaps und wartet auf Buddy wie die Spinne im Netz.

Ivan Reitman in Topform

Wie in Reitmans Vorgänger "Up In The Air", in dem George Clooney einen Flugmeilen-Sammler spielt, dessen Job es ist, in ganz Amerika Entlassungsgespräche mit Firmenangestellten zu führen, handelt "Young Adult" von Heimatlosigkeit. Mavis Gary hat kein Zuhause, aber man empfindet deswegen kein Mitleid mit ihr, denn sie macht keine Entwicklung durch; da ist weder Veränderung noch Einsicht. Charlize Theron spielt das ohne einen Hauch von Distanz, ihr Auftritt gibt der Produktion die Schärfe.

Reitmans Vater Ivan ist selbst ein berühmter Regisseur, er drehte in den 80er Jahren die Film-Hits "Ghostbusters" und "Staatsanwälte küsst man nicht". Ivan Reitman definierte mit seinen Komödien den Mainstream, er unterhielt das Publikum. Sein Sohn ist radikaler, sein Kino richtet sich an jene Generation, die mit den Filmen des Vaters aufwuchs, und es stellt alles in Frage, was als typisch für sie gilt. Jason Reitman lotet aus, was jemand meint, wenn er "eigentlich" sagt, er interessiert sich für die Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. "Young Adult" kann man durchaus als negatives Generationen-Porträt werten, darin mutet der alte Traum vom Weggehen und Berühmtwerden nicht länger wie eine Verheißung an. Mavis Gary ist eine Säuferin, die sich einzelne Haare aus der Kopfhaut reißt, damit sie etwas spürt. Buddy hingegen lebt daheim im Glück, die Spießer-Idylle mit Frau und Kind, unprätentiös und ohne Eitelkeit.

Ein richtiges Leben im falschen?

Die 90 Minuten Spieldauer sind eine einzige Niederlage für Mavis Gary. Manchmal schämt man sich für sie, bei der arg dick aufgetragenen Demütigung auf dem Familienfest etwa, das der Höhepunkt der Geschichte ist. Aber meistens schaut man ihr einfach zu, will wissen, wie es weitergeht, wie sie sich verhält, was sie aus den Erfahrungen macht. Am Ende scheint die Sonne, zum ersten Mal in diesem Film. Warum bloß? Vielleicht gibt es ein richtiges Leben im falschen.

Es spricht für Reitman, dass man lange über solche Fragen nachdenkt.

Bewertung: 4 von 5 Sternen

(RP)
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