Ana will sich in der Emanzipationskomödie nicht dünne machen Echte Frauen haben Kurven: Sag ja zur Zellulitis

Magersüchtige Frauen sind out. Denn: "Echte Frauen haben Kurven" ist heißt der Film, der am 6. Mai in den deutschen Kinos anläuft. Selbstbewusst demonstriert die Frauen-Komödie mit der Protagonisten Ana ein volumniöses Schönheitsideal. Hüftringe und Zellulitis gehören dazu.

Mit der majestätischen Anmut eines vollbeladenen Schiffes mit Wind geblähten Segeln bahnt sich der Teenager seinen Weg durch die Straßen des Latino-Viertels in L.A. Und vielleicht kann Ana ja auch nur dank ihrer massiven Rubens-Figur die verbalen Tiefschläge ihrer Mutter und die Kraftanstrengung des gesellschaftlichen Aufstiegs aushalten.

Mit ungewöhnlichen Akzenten hebt sich der Film über die zweite weibliche Einwanderergeneration von leichtgewichtigeren Culture-Clash-Komödien wie etwa "Kick it like Beckham" und "My Big Fat Greek Wedding" ab. Wie dort geht es nicht um diffuse äußere Hemmschwellen, sondern der Feind sitzt in der familiären Festung.

Die mexikanischstämmige Ana hat zwar ein Uni-Stipendium für New York in Aussicht. Weit davon entfernt, sich zu freuen, weist die pummelige Latina vielmehr den Ernst eines Teenagers auf, der an zu viel Durchblick leidet. Dass es ein Leben jenseits von Kinder, Küche, Kirche und "Sweat-Shops" gibt, braucht man ihr nicht mehr beizubringen. Die hübsche Dicke weiß genau, was sie nicht will: so werden wie ihre Mutter. Und die ist angesichts der Aussicht, dass ihre Tochter "was Besseres" werden will als sie selbst, stinksauer und überschüttet Ana, die sich weigert, ihr dickes Fell abzuspecken, tagtäglich mit Beleidigungen.

Nicht die üblichen Filmverdächtigen aus dem bösen Patriarchat, sondern ein zum boshaften Drachen mutiertes Muttertier macht Ana fast kirre. Ein feministischer Tabubruch von Regisseurin Patricia Cardoso, der weit mutiger ist als ihr Hohelied auf weibliche Rundungen - mit dem sie schlicht die Realität der vollschlanken Bevölkerungsmehrheit aufgreift.

Unerwartet böse fällt der Blick auf die Ausbeutung der Einwanderer aus: Ana rackert nach der Schule in der Näherei ihrer Schwester Estela, wo dank Lohn-Dumpings für 18 Dollar Modellkleider geschneidert und für 600 Dollar an käsig-dünne Oberschichtfrauen weiterverkauft werden. Das schlaue Mädchen lernt zwar den Respekt vor der Leistung der Arbeiterinnen, durchschaut aber die Gesetze dieses Raubtierkapitalismus im Nu - ohne jedoch ernsthaft dagegen zu rebellieren.

Ohren zu und durch

Exemplarisch muss Ana das amerikanische Aufsteigerideal des "Pursuit of Happiness" verkörpern und macht vor, wie man Anfechtungen durch puren Stoizismus à la "Ohren zu und durch" pariert: wie etwa die Verachtung der weißen "Anglos", das mütterliche Gekeife, die erste Liebe und ihre Entjungferung, die Ana mit vorausschauendem Kondomkauf und der Abgeklärtheit einer Therapeutin hinter sich bringt.

Dieser gewichtige "Überbau" sozio-kultureller Probleme wird von Kolumbianerin Cardoso mit so viel Sinn fürs witzige Detail, Charme und Lebensfreude verziert, dass Anas vorbildliche, aber unrealistische Haltung nicht weiter auffällt. Zumal Darstellerin America Ferrera äußerst natürlich wirkt.

Und wie viele gescheite Regisseure, die ein Herzensanliegen haben, will Cardoso das Publikum statt mit Trübsal mit Humor zu ihrer "Message" bekehren. Wenn die hysterische Mutter ihre Heiligenpüppchen manipuliert, um ihre Fruchtbarkeit zu stimulieren, erscheint sie plötzlich liebenswert und verletzlich; und das Schlagwort vom "Sweat-Shop" erfährt durch seine konkrete Bebilderung einen unerwartet komische Umkehrung.

Ana nämlich stiftet ihre Schweiß triefenden Kolleginnen in Estelas Näh-Garage dazu an, ihre Hüllen abzulegen. Zu munterer Salsa-Musik und entfesseltem Gelächter wetteifern die Grazien in BH und Slip um die meisten Zellulitis-Dellen und die formschönsten Rettungsringe um die Hüften. So rund, gut drauf und normal, hat man Frauen seit Rubens nicht auf der Leinwand gesehen.

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