"Schnee von gestern" Eine sensible Dokumentation über das Wesen der Familie

Die Dokumentation "Schnee von gestern" zeigt großartige Bilder und eine anrührende Geschichte.

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Es hätte der glücklichste Moment im Leben von Michla und Feivke Schwarz werden können. Die beiden Kinder einer jüdischen Familie aus Vilnius haben den Holocaust überlebt, am Bahnhof von Lodz wollen sie sich treffen, doch dann taucht Feivke nicht auf. Und seine Schwester hört, dass es in der Unterkunft, in der er zuletzt geschlafen hatte, gebrannt hat. Die Judenverfolgung überlebt, dann bei einem Feuer gestorben — mit dieser tragischen Geschichte im Herzen emigriert Michla nach Israel, gründet eine Familie, kommt über ihre Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs nie hinweg. Ihr Bruder aber ist gar nicht tot, er beginnt in Cottbus ein neues Leben, heiratet eine deutsche Nichtjüdin — und forscht nie nach seiner Schwester.

In der anmutig gefilmten, klug erzählten Doku "Schnee von gestern" geht Yael Reuveny der Geschichte ihrer Großmutter — und der Teilung ihrer Familie nach. Erst trägt sie Details zusammen, um dahinter zu kommen, warum es an jenem Tag in Lodz nicht zur Begegnung zwischen den Geschwistern kam und warum sie später nicht nach einander suchten. Dabei lernt sie ihre ostdeutschen Verwandten kennen, zwei Familienhälften, die eine Schuld trennt — und die sich in höchst unterschiedlichen Kulturen entwickelten, treten nebeneinander.

Behutsam erzählt der Film vom Schweigen in Familien, von Scham und Wut, von Fluchten, die nicht gelangen, weil kein Mensch seiner Vergangenheit entkommt. Und Yael Reuveny erzählt davon, was Familiesein bedeutet. Mit ihren ostdeutschen Verwandten verbindet sie nicht mehr als der gemeinsame Stammbaum. Doch die junge Israelin zieht es gegen den Willen der Eltern nach Deutschland, sie lebt nun schon seit ein paar Jahren in Berlin. Und ihr deutscher Cousin träumt von einem Leben in Israel. Auch die dritte Generation versucht anzuleben gegen die Folgen des Holocaust.

(RP)
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