Bestseller kommt in die Kinos Bestseller-Verfilmung "Erbarmen" ist harte Kost

Düsseldorf · Der Thriller "Erbarmen" kommt ins Kino. Leider gehen in der Filmversion die Eigenheiten des Buches verloren. Somit entsteht nicht mehr als ein netter Thriller.

Düstere Verfilmung von "Erbarmen"
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Keiner lehrt uns zur Zeit so das Fürchten wie die Skandinavier. Die Krimis aus dem Norden, meist erkennbar an brachialen Ein-Wort-Titeln wie "Verdammnis" oder "Mittsommermord", überschwemmen das hiesige Fernsehen, die Buchläden, die Leinwand. Die Deutschen verschlingen Bücher von Henning Mankell, Jo Nesbo und Nakan Hesser, ermitteln abends im Fernsehen mit Wallander und Kommissarin Lund. Und im Kino gibt es Lisbeth Salander aus der "Millenium"-Trilogie, um die man sich Sorgen machen kann.

Im Moment besonders populär ist der Däne Jussi Adler-Olsen mit seiner Reihe "Erbarmen", "Schändung", "Erlösung", "Verachtung" und "Erwartung". Nun führt die Verfilmung des ersten Bands den Zuschauer mitten hinein in die freudlose Welt des Kopenhagener Kommissars Carl Mørck, den Nikolaj Le Kaas ("Illuminati") mit stoischer Miene spielt. Da Mørck für das katastrophale Scheitern eines Einsatzes verantwortlich ist, schiebt man ihn in die eigens gegründete "Abteilung Q" ab. Ein staubiges Kellerbüro voll vergessener Akten, in dem er ungelöste Fälle möglichst unbemerkt abwickeln soll.

Als Assistent wird ihm der Muslim Assad (Fares Fares) zur Seite gestellt, mit dessen unangemessenem Frohsinn und scheußlichen Heißgetränken Mørck naturgemäß herzlich wenig anfangen kann. Parallel zu diesem Stimmungstableau skandinavischer Schwermut schaltet der dänische TV-Regisseur Mikkel Nørgaard beklemmende Rückblenden einer Entführung. Jahre zuvor verschwand die populäre Politikerin Merete Lynggaard (Sonja Richter) spurlos von einer Passagierfähre. Der einzige Zeuge, ihr geistig zurückgebliebener Bruder, ist nicht vernehmungsfähig. Es ist Meretes Akte, die Mørck und Assad als erste in die Hände fällt. Und natürlich können sie es nicht beim Abschlussbericht "wahrscheinlicher Selbstmord" belassen. Mørck, traumatisiert, von den Vorgesetzten aussortiert, hat immer noch seinen untrüglichen Instinkt. Merete ist nicht tot, er weiß es einfach und er schleift den widerstrebenden Assad aus dem Kellerbüro, um das zu tun, was keiner von beiden darf: ermitteln.

Drehbuch hat Schwächen

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Anders als das ungleiche, stereotyp in guter Bulle und böser Bulle aufgeteilte Polizistenpaar hat Nørgaard den Zuschauer zu diesem Zeitpunkt durch seine Einblendungen längst wissen lassen, dass Merete in der Tat nicht tot ist. Schnell wünscht man fast, sie wäre es. Ein sadistischer Psychopath hat die hübsche junge Frau damals an einem abgelegenen Ort in einer Druckkammer eingesperrt. Immer wieder ist Merete in der winzigen Kammer zu sehen, in der sie über Jahre dahinvegetiert wie ein schmutziges Tier, in fast völliger Dunkelheit, ihren Verstand unter Qualen zusammenhaltend. Nur sehr selten dringt kurz die Stimme ihres Peinigers über Lautsprecher zu ihr durch. Manchmal teilt er ihr mit, dass er jetzt mal wieder den Luftdruck erhöht und ihr die Trommelfelle platzen werden. Einmal zwingt er sie, sich mit einer Zange einen Zahn zu ziehen. Diese kurzen, brutalen Szenen sind auf voyeuristische Weise ekelerregend. Und allein schon deshalb kaum zu ertragen, weil Merete sichtlich die Kräfte ausgehen und Mørck und Assad da draußen ein Rennen gegen die Zeit führen, ohne es zu ahnen.

Für das Drehbuch holte Nørgaard sich Autor Nikolaj Arcel zu Hilfe, der beim Skript zu Stieg Larssons "Verblendung" gute Arbeit geleistet hatte. Im Fall von "Erbarmen" geht die Rechnung nur bedingt auf. Die Carl Mørck-Bücher sind komplexe, hoch psychologische Romane mit jenem Hauch von Depression und Weltschmerz, der für die neuen skandinavischen Krimis so typisch ist.

Nørgaard und Arcel dampfen die rund 400 Seiten von "Erbarmen" zu einem klassischen Cop-Thriller zusammen. Praktisch alles, was die Suche nach Merete aufhalten würde, streichen sie: Nebenfiguren, Mørcks schwierige Sitzungen bei seiner Therapeutin. Damit hält Nørgaard zwar die Spannung, sorgt aber dafür, dass die Eigenheiten des Buches verschwinden. So ist seine Verfilmung ebenso schnell vergessen, wie man sie konsumiert hat. Im Gedächtnis bleibt Meretes Martyrium, die Gewissheit, dass es abgrundtief Böses gibt in der Welt.

(RP)
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