"Ewige Jugend" Schauspiel-Stars auf dem Zauberberg

Düsseldorf · In "Ewige Jugend" von Paolo Sorrentino langweilen sich Michael Caine und Harvey Keitel in einem Sanatorium in den Schweizer Alpen. Sie philosophieren übers Älterwerden und Abschiednehmen. Ein eigenartiger, anrührender Film.

"Ewige Jugend" von Paolo Sorrentino: Der Zuschauer ist wirklich geführt
Foto: dpa, lus

Das ist ein eigenartiger Film, maniriert und gekünstelt, eher Essay als Erzählung, im Grunde reine Atmosphäre und totale Abstraktion. Das Verwunderliche daran: Dennoch lässt er den Zuschauer gerührt zurück.

Der Film heißt "Ewige Jugend", und er handelt vom Älterwerden. Er spielt in einem Sanatorium in den Schweizer Alpen, und natürlich denkt man sogleich an Thomas Manns "Zauberberg", den Urtex aller westlichen Zivilisationsmüdigkeit. Der größte Unterschied zwischen Buch und Film liegt indes darin, dass hier niemand krank ist, dafür aber jeder ziemlich reich. Ein dicker Ex-Fußballer, der wie Maradona aussieht, residiert hier ebenso wie ein amerikanischer Schauspiel-Star, der sich auf eine Rolle vorbereitet und zur Entspannung Novalis liest. Es gibt Massagen und Badekuren, aber ansonsten ist allen langweilig, und zwar auf diese existenzielle Art langweilig, die in den Romanen der Dekadenz "ennui" genannt wird und eine fließende Grenze zum Weltekel hat.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen Michael Caine und Harvel Keitel. Der eine spielt einen Komponisten, der andere einen Regisseur, und beide sind mehr oder weniger am Ende. Caine weiß, dass seine Schaffenskraft versiegt ist, Keitel bekommt es erst gegen Ende des Films gesagt. Die beiden sind Freunde, und sie gehen unterschiedlich mit dem Alter um: Caine mit britischer Gelassenheit, Keitel uneinsichtig - er ist nervös, will sein Meisterwerk erst noch drehen. Aus den Gesprächen und dem Zusammensein der beiden bezieht der Film seine Spannung. Und ebenso seine Heiterkeit, etwa wenn es um die Frauen von früher geht: "Hast Du eigentlich mit ihr geschlafen?" - "Die Tragödie meines Leben ist, dass ich mich daran nicht erinnern kann."

Die beiden schreiten durch die ästhetischen Einstellungen von Kameramann Luca Bigazzi, und jeder Körper, jeder Anflug von Schönheit ist nurmehr Reminiszenz ans Vergangene. Die Welt, in der sie sich bewegen, ist unwirklich, weil sie spiegelt, was in den Köpfen der zwei Freunde vorgeht und auch in ihren Herzen. Es gibt durchaus junge Leute in diesem Film, Rachel Weisz etwa, die die Tochter und Assistentin von Caine spielt. Sie trennt sich von ihrem Ehemann, der eine Affäre mit der Pop-Sängerin Paloma Faith begonnen hat, aber die Probleme der Jugend kommen gefiltert bei Caine und Keitel an, wie durch einen Schleier: Sie passieren sozusagen im Tal des Lebens, während die Hauptfiguren auf dem Gipfel sitzen, der einerseits Vollendung bedeutet und gleichzeitig Ende.

Paolo Sorrentino hat diesen Film gedreht, er ist 45 Jahre alt und wird oft mit seinem Landsmann Fellini verglichen. Man könnte sogar Gemeinsamkeiten mit Wes Anderson finden, wobei das Artifizielle bei Sorrentino völlig anders gefärbt ist. Wie Andersons "Grand Budapest Hotel" liegt auch Sorrentinos Berghof außerhalb der Welt, ist für Normalbegabte kaum zu erreichen. Einmal schickt die Queen einen Gesandten, weil sie die berühmteste Komposition des von Michael Caine dargestellten Komponisten aufgeführt wissen möchte. Der lehnt ab, irdischer Ruhm bedeutet ihm nichts mehr: "Ich bin fertig mit der Arbeit. Und dem Leben."

Sorrentino ist Spezialist für das Überkandidelte und die Überhöhung, sein Vorgängerfilm "La Grande Bellezza", für den er vor zwei Jahren einen Oscar bekam, ist der beste Beweis: ein viel zu langer Rausch aus schönen Dingen, teuren Klamotten, Alkohol und halb geschlossenen Lidern. "Ewige Jugend" ist gewissermaßen die Entgiftungskur.

Am Ende steht nämlich die Frage, wie man seinen Frieden macht mit der Endlichkeit, wie man lernt, nicht mehr aufs Morgen hin zu leben, sondern sich im Heute einzurichten und es zu genießen. Es gibt eine traurige Szene, in der Michael Caine seine Film-Ehefrau besucht, die einst Sängerin war und nun krank ist und nicht mehr spricht. Die Liebe zu dieser Frau ist der Grund, warum er nicht für die Queen musizieren mag, denn seine Frau sang einst seine Lieder, nur sie soll das tun, aber sie kann es nicht mehr. Der Film, der zuvor bisweilen durchaus albern ist, etwa wenn die alten Kerle ihre Prostata-Probleme thematisieren, und schlüpfrig, etwa wenn Miss Universe zu Caine/Keitel in den Pool steigt, und manchmal auch kitschig und dann wieder elegisch, bekommt gegen Ende etwas Tranceartiges und Hypnotisches, ja: Philosophisches.

"Ewige Jugend" ist eine Assoziation über den Rest des Lebens, und es dürfte viele Zuschauer geben, die mit der Form dieses Films nichts anfangen können, die nicht warm werden mögen mit Sorrentinos Prinzip des "Too Much" und der Art, wie er sich seinem Thema nähert.

Die Übrigen erleben eine besondere Produktion, ein Kunstwerk.

"Ewige Jugend", Frankreich, Italien, Schweiz, Großbritannien 2015, 124 Min., Drehbuch und Regie: Paolo Sorrentino, mit Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz, Paul Dano, Jane Fonda.

(hols)
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